Essen. Neu im Kino: Yvan Attals Film „Menschliche Dinge“ ist ein berührender Beitrag zur MeToo-Debatte, der das Urteil am Ende den Zuschauern überlässt.
Die Farels sind eine gesellschaftlich hoch angesehene Familie. Claire ist Essayistin, Jean ein bekannter TV-Moderator. Als er einen Fernsehpreis erhalten soll, reist ihr Sohn Alexandre aus Stanford an. Nach einer Party steht die Polizei vor der Tür. Die Anklage lautet Vergewaltigung. Ein Fall für die Justiz, den Yvan Attal („Die brillante Mademoiselle Neïla“) in seinem neuen Film „Menschliche Dinge“ von allen erdenklichen Seiten diskutiert. Ergebnis ist ein Beitrag zur MeToo-Debatte über Macht, Missbrauch und sexuelle Nötigung, der berührt, aber auch provoziert, indem er das Urteil dem Zuschauer überlässt.
Die Geschichte, die Attal erzählt, basiert auf dem gleichnamigen französischen Roman der Autorin Karine Tuil, dem wiederum ein realer Fall, „der Fall Stanford“, zugrunde liegt. Es beginnt mit einem smarten jungen Mann, der den Frauen am Flughafen den Koffer vom Rollband hebt. Später, vor Gericht, wird man ihn übereinstimmend als „höflich und zuvorkommend“ beschreiben.
Ausgangspunkt ist eine Wette unter Männern
Bei seiner Mutter lernt Alexandre die 17-jährige Mila kennen, die Tochter ihres neuen Lebensgefährten und nimmt das junge Mädchen mit zu einer Party. Dort findet eine Wette „unter Männern“ statt, die mit Sex in einem Abstellraum endet. Während Alexandre beteuert, alles sei einvernehmlich geschehen, zeigt Mila ihn am nächsten Tag wegen Vergewaltigung an.
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Der Film, der bis auf die hell erleuchteten Gerichtsszenen in dunklen, bedrückenden Bildern spielt, kann auf seine Schauspieler vertrauen: Pierre Arditi gibt den Egozentriker Jean; ein kühler Frauenheld, der seine Praktikantin verführt (was hier einen ungeahnten Ausgang nimmt). Charlotte Gainsbourg spielt die Feministin Claire, die zwischen allen Stühlen sitzt, hochemotional. Perfekt besetzt auch die Hauptfiguren: Ben Attal als Alexandre ist der selbstbewusste Sohn aus gutem Hause, arrogant, aber trotzdem ein Sympathieträger. Suzanne Jouannet überzeugt als schüchterne Mila, deren Scham und Verzweiflung zu Herzen gehen. Glaubhaft sind beide. Und genau das ist das Problem.
Quälende Verhöre und Untersuchungen
Yvan Attal erzählt die Geschichte langsam und ruhig, von Alexandres Ankunft in Paris bis zum Prozess. Die Kamera ist dabei bei Untersuchungen und quälenden Verhören, bei denen Mila die Ereignisse immer wieder schildern muss. Ist sie Alexandre freiwillig vor die Tür gefolgt? Wurde sie bedroht? Und: Hat sie deutlich „Nein“ gesagt?
Was macht sexuellen Konsens eigentlich aus? Am Ende steht allenfalls ein Versuch, Gerechtigkeit zu üben. Wobei selbst die Rückblenden verschleiern, was tatsächlich geschehen ist. Eine Ambivalenz, die es auszuhalten gilt, auch wenn es schwerfällt.