Neu im Kino: „Amsterdam“ enttäuscht trotz Staraufgebots, Aylin Tezel verausgabt sich und im Horrorfilm gibt es jetzt auch Exorzistinnen.
„Amsterdam“
Im Krieg 1917 an der französischen Front wurden sie Freunde, der weiße Sanitäter Burt (Christian Bale) und der schwarze Unteroffizier Harold (Denzel Washingtons Sohn John David). Schwer verwundet kamen sie zurück, Burt trägt ein Glasauge, das die Krankenschwester Valerie (Margot Robbie) ihm in Amsterdam vermittelte. Zwölf Jahre später bittet Liz Meekins (Taylor Swift) die Freunde um Hilfe: Ihr Vater, im Krieg kommandierender Offizier von Burt und Harold, ist unvermittelt gestorben. Eine heimlich durchgeführte Obduktion deckt eine Vergiftung mit Quecksilber auf. Dann geschieht ein zweiter Mord.
Wem es jetzt schon schwindelt angesichts der doch recht vertrackten Konstellation der Figuren und Konflikte, um die Handlung überhaupt in Gang zu setzen – es wird nicht besser im weiteren Verlauf der noch folgenden zwei Stunden im neuen Film des vor allem sich selbst überschätzenden US-Filmemachers David O. Russell („The Fighter“, „American Hustle“).
Auch sein neuer Film ist umständlich erzählt und wieder mal viel zu lang, trotzdem standen die Stars wieder Schlange, u.a. noch dabei sind Andrea Riseborough, Anya Taylor-Joy, Michael Shannon und Robert De Niro, zugegeben in der besten Rolle seit zehn Jahren.
Der Film sieht schick aus mit seinen Dekors und Kostümen im Look der frühen 30er-Jahre, aber wie so oft bei Russell finden Drehbuch und Regie keine Linie, was das Gesamtprodukt darstellen soll. Mal wähnt man sich in einer flotten Wortwitzkomödie, dann wieder Explosionen brutaler Gewalt.
Die Story eines Komplotts reicher Industriekapitäne zum politischen Umsturz in den USA (basierend auf einem authentischen Fall) baut niemals Spannung auf. Nun kann man sagen, das ist Meckern auf hohem Niveau bei so viel Auftrieb an Schauwerten und Stars. Stimmt, aber ein Essen wird nicht allein dadurch gut, weil der Teller voll ist.
„Der Russe ist einer, der Birken liebt“
Mascha ist, gebürtige Russin mit jüdischen Wurzeln, fast 30 und seit längerem schon mit dem Fußballer Elias zusammen. Sie beherrscht fünf Sprachen fließend und lässt sich in Köln als Dolmetscherin für die Uno ausbilden. Dennoch reist sie eines Tages spontan nach Tel Aviv. Hier kennt sie keinen und lernt Tal kennen, die Soldatin in der israelischen Armee war. Die beiden haben Sex miteinander, aber Mascha mag nicht zugeben, dass sie in Tal verliebt ist.
Olga Grjawsnowas Debütroman von 2012 lieferte die Vorlage für die global ausgerichtete Charakterstudie einer aufgekratzten jungen Frau, die sich nicht festlegen mag und dabei fast das Vertrauen ihrer Freunde verspielt.
Regisseurin Pola Beck besetzte die Hauptrolle mit Aylin Tezel, und die schmeißt sich mit Haut und Haaren und wenig Kleidung am Leib in ihre Rolle, tanzt, flirtet, liebt und verzweifelt und weckt doch kaum einmal Anteilnahme.
Der Grund dafür liegt in einem überkomplizierten Drehbuch, in dem viel zu lange nicht klar ist, was wann spielt, worum es überhaupt gehen soll und weshalb so vieles trotz Tod und Leiden lediglich nach aufgeplustertem Luxusproblem schmeckt. Da wundert es auch nicht, dass die Bilder selten einmal der großen Leinwand gerecht werden. Aber die eine Birke in dem Park in Tel Aviv, die ist wirklich nett.
„The Devil’s Light“
Noch nie gab es so viele Fälle von Besessenheit, waren so viele Exorzismusrituale nötig. Deshalb richtet Rom Seminare aus, in denen Priester den Kampf gegen Dämonen und Schlimmeres erlernen. Für Aufsehen sorgt die junge Ordensschwester Ann mit ihrem sympathischen Auftreten und einer bemerkenswerten Feinfühligkeit für Übernatürliches. Dann wird offenbar, dass dieser Draht auch in die andere Richtung führt.
Knapp 50 Jahre nach William Friedkins Sensationsschocker „Der Exorzist“ hat sich die Teufelsaustreibung als kleines, fest umgrenztes Subgenre im Horroruniversum etabliert. Der gebürtige Hamburger Daniel Stamm zeigte schon 2010 mit „Der letzte Exorzismus“ Talent für verstörende Bildeindrücke von verbogenen Körpern und Gesichtern mit schwarzen Augen.
Sein neuer Film schlug bereits Wellen, weil erstmalig eine Frau den Exorzismus praktiziert. Viel interessanter ist aber, dass Stamm auch diesmal Impressionen aufbietet, die beunruhigen können. Das Drehbuch selber, vollgestopft mit einem Kindheitstrauma der Heldin und schwachen priesterlichen Randfiguren, präsentiert sich konventionell. Aber die Haareffekte sind schon klasse.
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Was heißt eigentlich Feelgood-Movie auf Französisch? Ein solcher ist „Tenor“, der ein merkwürdiges Deja-Vu-Gefühl hinterlässt. Das kennen wir doch, oder? Außenseiter wird durch Zufall entdeckt und siegt am Ende gegen alle Widerstände… Dieses Mal mit großer Oper. Der arme Sushi-Lieferant Antoine (Mohammed Belkhir) stolpert in die Oper, gerät in einen Disput, lässt seine Rap-geschulte Stimme erklingen – et voilà – wird entdeckt von Gesangslehrerin Loyseau (Michèle Laroque), ebenfalls aus schwierigen Verhältnissen. Die beiden werden ziemlich beste Freunde...
Garniert wird das mit einem großen Bruder, der illegale Boxkämpfe bestreitet und zwischendurch auch mal im Knast landet, mit üblichen Verirrungen in Sachen Liebe und Klassendifferenz. Auf dem Weg zum großen Vorsingen wird man dann mit einigen witzigen Dialogen bei Laune gehalten. Eher Operette als Oper.