Die Filmstarts der Woche bringen jede Menge Nervenkitzel, eine Liebeskomödie und eine Dokumentation über den Einsatz von politischen Aktivisten.

„See How They Run“
Im St. Martin’s Theatre im Londoner West End herrscht aufgekratzte Stimmung. Zur 100. Aufführung von Agatha Christies Kriminalstück „Die Mausefalle“ haben sich Hollywood-Leute für eine mögliche Verfilmung eingefunden. Dann wird hinter den Kulissen der Jubiläumsfeier Filmregisseur Leo Köpernick (zwinkerndes Comeback für kauziges Adrien Brody als kauziger Fiesling) ermordet.

Inspector Stoppard übernimmt den Fall zusammen mit der noch unerfahrenen, aber immens eifrigen Constable Stalker (Saoirse Ronan). Die Ermittlungen gestalten sich zäh, da Köpernick alles und jeden brüskiert hatte. Dann geschieht ein zweiter Mord und jemand Unerwartetes gerät ins Zentrum des Verdachts.

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Dieser Film spielt im Jahre 1953 und gibt sich allergrößte Mühe, seine Begeisterung fürs Zeitkolorit in Garderoben, Dekors und Farben herauszustellen. In der Tat zeigt der bislang nur in englischen TV-Projekten tätige Regisseur Tom George Talent für fein ondulierte Frisuren und Blusen mit delikaten Farbmustern. Die Ausstattung ist in der Tat ein Triumph, und wie zuvor in Kenneth Branaghs „Tod auf dem Nil“ erstickt sie alle anderen Kreativabteilungen.

Ganz generell ist in diesem Film das wichtigste Stilmittel der Stilbruch. Einerseits wird Nostalgie bis ins Detail beschworen, in der Besetzung aber folgt man bedenkenlos dem Diversitätsdiktat heutiger Zeit. Krimispannung druckst unter einem Wattebausch humoriger Ausgelassenheit herum. Oscar-Preisträger Sam Rockwell legt seine Rolle des Inspector Stoppard im Stil eines im Dauersuff derangierten Privatschnüfflers aus der Hammett’schen Hard-Boiled-Schule an.

Für ein munteres Kasperletheater a la Christie reicht das, aber nach der Klasse von „Knives Out“ streckt man sich vergeblich. Der Titel übrigens entstammt dem britischen Theaterjargon und bezeichnet ein Zimmer, von dem viele Türen abgehen, damit Leute zu unmöglichen Zeiten Auftreten und abgehen können. Agatha Christie hatte einen solchen Raum für ihr Stück „Die Mausefalle“ genutzt.

„Schweigend steht der Wald“: Forstpraktikantin Anja (Henriette Confurius) macht eine Entdeckung.
„Schweigend steht der Wald“: Forstpraktikantin Anja (Henriette Confurius) macht eine Entdeckung. © Alpenrepublik | Alpenrepublik

„Schweigend steht der Wald“
Forstpraktikantin Anja nimmt in der Oberpfalz Bodenproben und stößt auf Unregelmäßigkeiten, die auf ein Verbrechen hinweisen, das lange zurück liegt. Die Honoratioren im nahen Ort als auch die Polizei zeigen sich auffällig desinteressiert. Eine Gewalttat auf einem Hof setzt lange unterdrückte Kontroversen und Aggressionen frei.

Wolfram Fleischhauer adaptierte seinen gleichnamigen Roman als halbherzigen Genreversuch, einen Blut- und Bodenkrimi um historische Kollektivschuld im düsteren Look des modernen Heimatfilms aufzuzäumen. Das geheimnisumflorte Gesicht von Henriette Confurius und ein aufregend schlecht gelaunter August Zirner impfen dem stilbewusst aufspielenden Ensemble eine Spur Extraklasse ein. Die noch unerfahrene Regisseurin Saralisa Volm beschwört die schwere Düsternisdramatik von „Tannöd“ und setzt auf Genrespannung als Appetithappen für höher gesetzte Erzählziele. Als Folge plumpst der Film zwischen alle Stühle.

„Piggy“
Ein übergewichtiges Mädchen wird von Mitschülerinnen böse gehänselt. Ein Psychokiller schwingt sich zum Beschützer auf. Ein spanischer Mix aus Bluthorror, Teenthriller und Dorfsatire mit einer ausdrucksstarken Hauptdarstellerin Laura Galán, der man nicht ansieht, dass sie schon 36 ist. Warnung für Zartbesaitete: Der Schluss ist ausgesprochen hysterisch.

Luke Macfarlane (l.) und Billy Eichner in „Bros
Luke Macfarlane (l.) und Billy Eichner in „Bros". © picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Nicole Rivelli

„Bros“
Kurz vor Eröffnung eines LBGTQ+-Museums verliebt sich der Leiter des Orga-Teams in einen Fitnesssportler: überlange Hollywood-Komödie, die sich mächtig was darauf einbildet, dass sie zwei Männer beim Kuss zeigt und keinen dummen Witz darüber reißt. Die eigenschaftslose Besetzung bemüht sich mit routinierten Sitcom-Sprüchen um gute Laune. Regisseur Nicholas Stoller drehte zuvor Großtaten wie „Nie wieder Sex mit Ex“ und „Bad Neighbours“. Das sollte Warnung genug sein.

„Rise Up!“
Ist diese Welt noch zu retten? Eine Frage, der Marco Heinig, Steffen Maurer, Luise Burchard und Luca Vogel in ihrer Dokumentation nachgehen. Antworten fanden sie bei fünf politischen Aktivisten. Zu Wort kommt Shahida Issel, die in Südafrika gegen das Apartheid-Regime kämpfte. Camila Cáceres stritt für eine neue Verfassung in Chile – Kali Akuno in den USA für die Gleichberechtigung der schwarzen Bevölkerung. Judith Braband organisierte in der DDR die Proteste mit, die zum Mauerfall führten. Und Marlene Sonntag unterstützt die kurdische Frauenbewegung.

Im Film berichten sie von ihrem Werdegang, Aktionen, Staatsgewalt, aber auch von Erfolgen und Hoffnung. Eingerahmt wird das von einem erzählerischen Teil, der mit Bildern von Flüchtlingen, schmelzenden Gletschern, Müllbergen und protzigen Bürobauten die Folgen von Klimawandel und Kapitalismus anprangert. Das Ergebnis ist ein Plädoyer für den gesellschaftlichen Einsatz, das weniger unterhalten, als aufrütteln will. Engagiert, aber recht polemisch.