Rechtzeitig zu ihrem 80. Geburtstag präsentiert Donna Leon einen autobiografischen Erzählband. Krimis wird sie jedoch auch weiterhin schreiben.

Ein Band mit autobiografischen Geschichten von Donna Leon? Ist sie etwa ins ernste Fach gewechselt? Nein, nein, keine Angst: Sie werde auch in Zukunft Krimis über Commissario Brunetti schreiben, stellt die Bestsellerautorin gleich zu Beginn ihres aktuellen Buches klar, das rechtzeitig zu ihrem 80. Geburtstag am 28. September erschienen ist. Sorgen sind also unbegründet.

Die Idee zu dem Band, der, wie der Titel verspricht, „Ein Leben in Geschichten“ erzählt, sei ihr bei einem Dinner in Venedig gekommen, als sie mit einem ehemaligen Kollegen aus ihrer Zeit im Iran ins Plaudern geraten und ihr bewusst geworden sei, dass sie über die Jahre so allerlei Ungewöhnliches erlebt habe.

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Und ja, diese Frau hat wirklich etwas zu erzählen. Wer die Vita von Donna Leon kennt, wird sich immer schon gewundert haben, warum sie so selten über ihr eigenes Leben geschrieben hat. In Montclair/ New Jersey kam sie 1942 auf die Welt und verbrachte die schönste Zeit ihrer Kindheit auf der Farm ihres aus Good Old Germany eingewanderten Großvaters.

Ihre lebensbejahende Einstellung hat sie von ihrer Mutter

Donna saß im Auto, wenn der Opa in New York City seine irischen Landarbeiter aufsammeln musste, die am Letzten eines jeden Monats ihren Lohn erhalten und ihn am Wochenende gleich wieder vertrunken hatten. Und sie begleitete die Mutter im alten VW als die nach dem Verkauf der Farm die auf dem Mist wachsenden Veilchen rettete und den Haufen gleich mit ins Auto packte, weil der einen exzellenten Dünger abgebe.

Ihre lebensbejahende Einstellung habe sie von ihrer Mutter, die ein guter Mensch, aber eine lausige Köchin gewesen sei, so Donna Leon. Der Vater ließ sich davon nicht unterkriegen und ernährte sich weitestgehend von Erdnüssen. Eine der schönsten Episoden ist die, wie die Mutter an Weihnachten von der ganzen Familie mit Punsch abgefüllt wird, damit sie ja nicht in die Küche eilt und merkt, dass der Backofen bereits aus ist. Pflegte sie den doch immer auf eine Temperatur einzustellen, die zum „Stahlschmieden“ gereicht und aus dem Truthahn trockenes „Dörrfleisch“ gemacht hätte, wie sie es am liebsten mochte.

Beinahe hätte Donna Leon auch promoviert

Die Mutter war es auch, die Donna mit acht, als sie mal wieder über Langeweile klagte, in die Bibliothek schleppte, wo sich ihr eine neue Welt eröffnete. Nur folgerichtig erscheint es, dass sie später englische Literatur studierte und beinahe sogar promoviert hätte. Wenn der Entwurf ihrer Doktorarbeit über Jane Austen 1979 nicht konfisziert worden wäre - bei ihrer Flucht aus dem Iran, wo sie vier Jahre Angehörige der iranischen Luftwaffe in Englisch unterrichtet, vor allem aber ihr Tennisspiel verbesserte und sogar den Pahlavi Cup im Frauen Einzel gewonnen hat.

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Manche Anekdote in dem Band, der neben in Zeitungen, Zeitschriften oder Anthologien erschienenen Texten auch zahlreiche bisher unveröffentlichte enthält, kennt man bereits. Nahe an sich heran lässt Donna Leon ihre Leser zwar nicht. Das ist der Unterschied zu ernster Literatur. Aber es gibt auch so genug wunderbare Entdeckungen zu machen.

Es gibt keine Tür, die sie nicht geräuschlos öffnen kann

Wie Donna Leon als Studentin etwa in den Semesterferien das Gehalt ihres Graduiertenstudiums aufbesserte, indem sie morgens auf der Plantage Tomaten pflückte und diese listig vor dem Gartenzaun ihrer Mutter als eigene Ernte verkaufte. An einem Wochenende verdiente sie so viel wie die University Of Massachusetts ihr für einen ganzen Monat zahlte.

Auch interessant: wie sie später als Dozentin Englische Literatur im chinesischen Suzhou unterrichtete, dem „Venedig des Ostens“ (es gab dort einen Kanal) und herausfand, dass die ihr zur Verfügung gestellten Dolmetscherinnen als linientreue „Töchter kommunistischer Parteimitglieder“ emsig jeden ihrer Schritte überwachten. „Darum vermag ich bis heute, leiser als ein Mäuschen eine Holztreppe hinunterzuschleichen, und es gibt keine Tür, die ich nicht geräuschlos öffnen könnte.“

In Venedig wurde Donna Leon schließlich zur Bestsellerautorin

Die leisesten Sohlen aber halfen Donna Leon nicht bei ihrer Lehrtätigkeit in Saudi-Arabien („alias Hölle“), wo sie den Wohnkomplex nicht verlassen durfte und es dazu nicht mal Alkohol gab. Die Zeit vertrieben sich die Dozenten aus dem Westen damals, indem sie eine eigene Form des Monopoly erfanden („Saudiopoly“), mit dem sie sich auf ihre Art an den patriarchalischen Saudis rächten.

Wie im Paradies fühlte sich Donna Leon deswegen als kurz darauf ihre ehemalige Kommilitonin Anita, die in Rom Malerei studieren wollte, sie als „Anstandsdame“ mit nach Italien nahm. In Venedig wurde sie endlich heimisch und zur Bestsellerautorin. Wohnt Donna Leon auch heute nicht mehr dort, weil die Kreuzfahrtschiffe und 30 Millionen Touristen im Jahr sie in die Schweiz haben fliehen lassen: Die Serenissima trägt sie immer noch in ihrem Herzen. Da geht es ihr nicht anders als ihrem beliebten Commissario Brunetti.

Donna Leon: Ein Leben in Geschichten. Diogenes, 191 Seiten, 22 Euro, ISBN 978-3-257-07209-9