Essen. . „Metropolis“ live animiert: Nils Voges lässt mit Theater, Illustration und Technik einen Trickfilm vor den Augen der Zuschauer entstehen.
Styroporplatten türmen sich bis unter die Decke der Bühne. Vier Schauspieler präsentieren die Geschichte von „Metropolis“. Sie sprechen, belegen drei Overheadprojektoren mit illustrierten Plexiglasplatten, bewegen die Figuren mit eingebauten Hebeln und schaffen durch das Ein- und Ausschalten der Geräte eine Bildfolge auf der Projektionsfläche. Autor und Regisseur Nils Voges hat mit seinem Künstlerkollektiv Sputnic das filmische Erzählen weiterentwickelt. In der Casa erweckt er Fritz Langs Meisterwerk zu neuem Leben.
Die drei Krefelder Designer von Sputnic bieten seit 2004 visuelle Kommunikation und Animation an, sind seit 2008 als Videokünstler unterwegs, inszenieren seit 2015 selbst und kreieren mit der Verbindung von Trickfilm und Theater eine innovative Kunstform. Angefangen hatte ihr Siegeszug mit der Chance, am Dortmunder Schauspiel, wo Nils Voges Bruder Kay Intendant ist, Michel Houellebecqs „Möglichkeit einer Insel“ zu realisieren. Preisgekrönt wurde ihre Arbeit. „Wir haben gemerkt, dass wir auf dem richtigen Weg sind“, sagt Nils Voges.
Jedes Mal probieren sie nun neue Techniken aus. „In Dortmund haben wir bei Stanislaw Lems ,Der futurologische Kongress’ mit Kameras gearbeitet, in Bremen bei dem auf ,Batman’ basierenden ,Out of Control’ mit Comic-Einzelbildern“, berichtet der 39-Jährige. Und jetzt sind es Overheadprojektoren, einst in Schulen und Universitäten zur Wissensvermittlung genutzt, die mit Hilfe von Buzzern gesteuert werden und das Geschehen in „Metropolis“ vorantreiben.
Der Stummfilm von 1927 ist keineswegs die Basis für seinen Live-Animationsfilm. „Wir wollen die Bilder nicht kopieren, wir erschaffen eigene Bilderwelten. Unser Abend basiert auf der Geschichte von ,Metropolis’, die wir in unsere Zeit übertragen haben“, so Voges.
Mensch und Maschine
Thematisiert wird die ursprüngliche Handlung. Sie beruht auf dem Roman von Fritz Langs Ehefrau Thea von Harbou: In einer Zukunftswelt mit Zweiklassengesellschaft prallen reiche Machthaber und ausgebeutete Malocher, Mensch und Maschine, Liebende aus unterschiedlichen Schichten aufeinander. Es geht aber auch um die Entstehungsgeschichte, die Verwertung und Zerstörung des Films und damit um den großen Bogen vom Beginn bis zum Sterben des Kinos.
Das Meisterwerk von 1927
„Metropolis“ war mit fast anderthalb Jahren Drehzeit und Kosten von fünf bis sechs Millionen Reichsmark die bis dahin teuerste Ufa-Produktion.
Bei der Premiere am 10. Januar 1927 fiel der monumentale Stummfilm und erste Science-Fiction in Spielfilmlänge bei Kritikern und Publikum durch.
Erst später erlangte Fritz Langs Meisterwerk nach dem Drehbuch seiner Frau Thea von Harbou Anerkennung. „Metropolis“ gehört zu den meistzitierten Filmen der Kinogeschichte.
Für verschiedene Versionen wurde „Metropolis“ gekürzt und zerstückelt. Erst 2008 tauchte in Argentinien eine Fassung auf, die zur weitgehenden Rekonstruktion des Originals führte. 2010 kam der Film wieder in die Kinos.
Mehr als üblich kommen für den Live-Animationsfilm viele verschiedene Gewerke zusammen. Die Styroporkulisse von Objektdesigner Michael Konstantin Wolke beherbergt die knapp 100 von Julia Zeijn und Elena Minaeva gezeichneten Bilder für Animationsplatten, die futuristisch anmutenden Kostüme von Vanessa Rust und allerlei verkabelte Geräte. Dazwischen agieren die Schauspieler. Alexey Ekimov, Kerstin Pohle, Sven Seeburg und Aless Wiesemann sind Filmvorführer, Fritz Lang, Thea von Harbou und die Maschinenfrau. „Sie sind sehr gut, haben ein Gespür für Feinheiten und die Konzentration, die es braucht, um alles zu bedienen. Auch den Modularsyntheziser“, meint Nils Voges.
Obwohl er selbst diesen Abend erdacht hat, kann er sich an dieser Mischung aus Theater, Schattentheater, Kino und dem Offenlegen der Technik immer noch freuen: „Das hat eine Magie. Wenn ich verstehe, wie es funktioniert, ist der Zaubertrick noch toller.“