Essen. Ein Dreivierteljahrhundert nach seiner Geburt und sechs Jahre nach seinem Tod ist David Bowie präsenter denn je – auch dank des Albums „Toy“.
75 Jahre alt wäre David Bowie am Samstag, dem 8. Januar, geworden. Doch bekanntlich kann der legendäre britische Popmusiker diesen ehrenvollen Anlass nicht mehr persönlich zelebrieren, da er – eigentlich immer noch unfassbar – am 10. Januar 2016, zwei Tage nach seinem 69. Geburtstag, einer Krebserkrankung erlag.
Das Werk des Jahrhundertkünstlers Bowie ist hingegen so lebendig wie eh und je – und ganz gewiss nicht minder lukrativ. In dieser Woche erst wurde bekannt, dass die Erben David Bowies die weltweiten Verlagsrechte an sämtlichen seiner Veröffentlichungen ab 1968 an den US-Musikverlag Warner Chappell verkauft haben. In Anbetracht der unzähligen Klassiker, die der zeitlebens von einer unstillbaren künstlerischen Neugier und oft schier übersprudelnden Wandlungslust angetriebene Musiker geschrieben hat, erscheint der kolportierte Preis von 250 Millionen Dollar beinahe wie ein Schnäppchen.
„Space Oddity“, „Ziggy Stardust“, „Heroes“, „Let’s Dance“...
Was hat sich dieser Mann nicht alles einfallen lassen?! Vom ersten Hit „Space Oddity“ 1969 über die Welterfolge mit „Ziggy Stardust“ (1972), „Heroes“ (1977), der wohl berühmtesten und unzählig oft gecoverten Berlin-Ode überhaupt, über die Pop-Hits wie „Let’s Dance“ oder „China Girl“ (1983) bis zum hochambitionierten Spätwerk vermochte David Bowie immer wieder zu verblüffen, zu begeistern und seine globale Fangemeinde niemals kalt zu lassen. Routine war jedenfalls, vorsichtig formuliert, nicht das Metier des androgynen künstlerischen Chamäleons.
Auch „Toy“, das nun pünktlich zum Geburtstag und mehr als 20 Jahre nach seiner Fertigstellung erstmals als Einzelalbum veröffentlicht wird – es ist bereits Bestandteil der im November erschienenen 11-CD-Box „David Bowie – Brilliant Adventure (1992-2001)“ und kursiert im Netz inoffiziell schon seit 2011 – ist keineswegs eine konventionelle Platte.
Überraschungscoup geplant
Schon das Cover mit Bowies Babykörper kombiniert mit dem Gesicht des damals Anfang-Fünfzigjährigem ist ein Hingucker. Und auch der Inhalt ist originell: Bowie nahm das Album im Sommer 2000 kurz nach seinem triumphalen Auftritt beim Glastonbury-Festival mit seiner bestens eingespielten Band größtenteils live in New York auf und wollte es als Überraschungscoup veröffentlichen. Eine Taktik, die heute gang und gäbe ist, seinerzeit aber ein Novum gewesen wäre.
Ein Meilenstein mag „Toy“ nicht sein, beinhaltet das Werk doch neben einigen neuen Stücken Überarbeitungen von teils kaum bekannten Liedern aus Bowies Frühwerk zwischen 1964 (so etwa seine allererste Single „Liza Jane“) und 1971. Aber auch zwei Jahrzehnte nach ihrer Aufnahme und mehr als ein halbes Jahrhundert nach ihrem Entstehen klingen Nummern wie das rockige „I Dig Everything“ oder das elegant-elegische „The London Boys“ knackig, dynamisch und gar nicht verstaubt.
Bowie-Comic von Reinhard Kleist, Sondermarke der Post
Kein Wunder also, dass David Bowie seinerzeit sehr erzürnt war, als sich seine Plattenfirma EMI/Virgin dagegen entschied, das Album zu veröffentlichen – das Label litt unter finanziellen Schwierigkeiten und war zudem nicht begeistert vom „Toy“-Konzept. Und Bowie? Gründete seine eigene Plattenfirma, wandte sich dem nächsten Projekt zu und brachte 2002 mit „Heathen“ eines seiner besten Alben überhaupt heraus.
Derweil wird die postume kommerzielle Aufbereitung des genialen Popstars (2047 wird er 100!) sicher noch jahrzehntelang und in allen erdenklichen künstlerischen Ausdrucksformen weitergehen. Der Berliner Comic-Künstler Reinhard Kleist huldigt dem Meister mit seiner sehr gelungenen und soeben erschienenen Graphic Novel „Starman – David Bowie’s Ziggy Stardust Years“. Und selbst die Deutsche Post erweist ihm die Ehre mit zwei auf 5000 Stück limitierten Packsets und der gerade erschienen ersten Sonderbriefmarke des Jahres, die nicht nur Bowie-Fans die Portoerhöhung von 80 auf 85 Cent versüßen dürfte.