Darmstadt. Die 75-jährige Schriftstellerin erhält die bedeutendste literarische Auszeichnung im deutschen Sprachraum. Der Preis ist mit 50.000 Euro dotiert.

Vergangenes und Geliebtes bewahren ist ein Antrieb für die künstlerische Arbeit von Emine Sevgi Özdamar. „Ich hatte früher immer gesagt, ich möchte die Toten ins Gedächtnis rufen“, so die Schriftstellerin zur dpa. Gestern gab die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung bekannt, dass sie mit dem Georg-Büchner-Preis 2022 ausgezeichnet wird.

„Beim Schreiben findet man auch Menschen, die man geliebt hat, die aber nicht mehr leben“, sagt Özdamar. Literatur als Gedächtnis - so könnte man ihr Werk vielleicht zusammenfassen. 1991 gewann sie den Ingeborg-Bachmann-Preis. 2022 wurde ihr neuester Roman „Ein von Schatten begrenzter Raum“ für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert.

Emine Sevgi Özdamars Romane sind autobiografisch geprägt

Zu Özdamars bekanntesten Büchern gehört „Das Leben ist eine Karawanserei: hat zwei Türen, aus einer kam ich rein, aus der anderen ging ich raus“ (1992). Das Buch ist ebenso wie „Die Brücke vom Goldenen Horn“ (1998), „Seltsame Sterne starren zur Erde“ (2003) und ihr jüngster Roman von ihrem Leben inspiriert.

Özdamar wurde 1946 in der Türkei geboren, wuchs in Istanbul und Bursa auf. 1965 kam sie erstmals nach West-Berlin. Nach dem Militärputsch in der Türkei 1971 kehrte sie nach Berlin zurück. Sie arbeitete an verschiedenen Theatern, in den 80er Jahren begann sie in Deutschland zu schreiben. Inzwischen lebt die Künstlerin in der Türkei und in Berlin.

Ihr verdankt die deutsche Sprache neue Horizonte

Seit über drei Jahrzehnten bereichere sie die deutschsprachige Literaturszene mit ihren Romanen, Erzählungen und Theaterstücken, teilte die Jury mit. Mit Emine Sevgi Özdamar werde eine herausragende Autorin ausgezeichnet, der die deutsche Sprache und Literatur neue Horizonte, Themen und einen hochpoetischen Sound verdanke.

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Ungewohnte literarische Stilmittel und aus dem Türkischen inspirierte Sprechweisen prägten ihre Texte. Diese würden neben intimen persönlichen Erfahrungen ein breites Panorama deutsch-türkischer Geschichte entfalten, vom Ersten Weltkrieg bis in die Gegenwart.

Poetisch, experimentell, ausufernd - so haben andere ihre Arbeit beschrieben. Und sie selbst? „Menschliche Körper sind wie alte Zivilisationen. Schichtweise lagern wir mehrere Gefühle, das sind die Stoffe“, sagt Özdamar über ihre Intention. Die Auszeichnung kam für sie unerwartet.

Mit dem Georg-Büchner-Preis hat die Schriftstellerin nicht gerechnet

„Man ist immer überrascht. Plötzlich kommt der Anruf.“ Am Mittwoch, 10. August, wird Özdamar 76 Jahre alt. Sie ist die zwölfte Frau, die den Büchner-Preis bekommt.

Seit 1951 vergibt die Akademie den Preis an Schriftsteller, die in deutscher Sprache schreiben. Özdamar soll die Auszeichnung, die mit 50.000 Euro dotiert ist, am 5. November im Staatstheater in Darmstadt verliehen werden.