Essen. Der Büchner-Preis geht 2020 an Elke Erb (82). Die Juroren nennen die Lyrikerin mit deutsch-deutscher Geschichte eine „unverdrossene Aufklärerin“.
Auf einen fast noch jungen Dramatiker und Romancier wie Lukas Bärfuss aus der Schweiz folgt eine in Ehren ergraute Dichterin von Format, deren Wurzeln und und zum Teil auch Blüten in einem versunkenen Land namens DDR liegen. Auch von solchen Erwägungen lassen sich Literaturpreis-Jurys leiten, selbst wenn es um den wichtigsten im Lande geht, den Büchnerpreis und 50.000 Euro.
Aber das kann die Treffsicherheit der diesjährigen Jury nicht schmälern, die mit der 82-jährigen Elke Erb eine überaus würdige, verdiente Preisträgerin ausgewählt hat. Und eine sperrige dazu: „Ich habe den Verhältnissen gekündigt, / sie waren falsch“, heißt es in dem Bändchen „Das Hündle kam weiter auf drein“ (2013) – das gilt für das Leben der in einem Eifeldorf geborenen Autorin mehr als einmal.
Teil der Lyrik-Welle in der DDR
Der Vater, der marxistische Literarhistoriker Ewald Erb, holte die Familie 1949 nach Halle/Saale in der DDR. Nach einem Studium der Germanistik, Slawistik und Pädagogik arbeitete Elke Erb bis 1965 als Lektorin beim Mitteldeutschen Verlag. Ihre Entscheidung, fortan als Schriftstellerin und Übersetzerin vorwiegend aus dem Russischen freiberuflich zu arbeiten, war selbst im „Literaturland“ DDR nicht ohne Risiko für eine, die sich zur Linientreue nicht verbiegen lässt. Erb ist Teil der Lyrik-Welle, zu der auch Sarah Kirsch, Wolf Biermann oder Volker Braun gehören. Ein Jahrzehnt lang ist sie mit dem Lyriker Adolf Endler verheiratet, und sie beide gehören zu den unabhängig Schreibenden, unangepassten Autoren der DDR. In den 80er-Jahren wird Elke Erb eine Art Mittelpunkt der Lyriker-Szene, die später mit der Chiffre „Prenzlauer-Berg-Connection“ bezeichnet werden wird. Die Nähe zur Friedensbewegung, Proteste gegen Dissidenten-Schikanen bringen ihr eine Stasi-Überwachung ein.
Freiheit und Wendigkeit der Gedanken in der Sprache
Ihre Unabhängigkeit im Denken und Schreiben aber wahrt sie auch nach der Wende von ‘89. Ihr gelinge es „wie keiner anderen, die Freiheit und Wendigkeit der Gedanken in der Sprache zu verwirklichen, indem sie sie herausfordert, auslockert, präzisiert, ja korrigiert. Für die unverdrossene Aufklärerin ist Poesie eine politische und höchstlebendige Erkenntnisform“, lobt die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung, die den Büchnerpreis organisiert. Seine Verleihung ist für den 31. Oktober in Darmstadt geplant. „Wir hoffen, dass sie dann dabei sein wird“, sagte Akademie-Präsident Ernst Osterkamp.