Duisburg. Frank Baier war ein Revier-Liedermacher der alten Schule – nun ist der Mann mit dem Zechenhäuschen mit 79 Jahren plötzlich in Duisburg gestorben.

Frank Baier gehörte zu diesen Menschen, die mit breitem Fahrwasser durch den Strom des Lebens ziehen: Man geriet leicht in den Sog dieses grundfreundlichen, unverwüstlich gutwilligen Menschen. Zeitlebens hat Frank Baier gesungen und gekämpft für Solidarität und die Menschen an der Basis, zu denen der gelernte Ingenieur für Verfahrenstechnik ja selber auch gehörte – bis zuletzt lebte er in einem Zechenhäuschen jener Rheinpreußen-Siedlung im Duisburger Stadtteil Homberg, die er selbst als Mitglied einer kämpferischen Bürgerinitiative vor dem Abriss bewahrte. Es war stets vollgestopft mit Erinnerungen – und Plänen. Frank Baier war ins Machen verliebt, das Gelingen kam später.

Frank Baier (1943-2022)
Frank Baier (1943-2022) © Unbekannt | Marc Albers

Aufgewachsen als Kumpel-Kind im Schatten der Zeche Rosenblumendelle und im Essener Stadtteil Frohnhausen, gehörte der 1943 geborene Frank Baier mit dem Spitznamen „Pumpe“ zu den deutschen Liedermachern der ersten Stunde, die aus der Skiffle-Szene kamen und sich beim legendären Festival auf der Burg Waldeck vor und nach ‘68 vereinten und entzweiten. Baier erforschte und vertonte Texte von Revier-Dichtern wie Heinrich Kämpchen, Josef Büscher und anderen, gehörte von 1970 bis 1973 zur berüchtigten Gruppe „Kattong“, bildete anschließend ein Duo mit Walter Westrupp, dem sein Kompagnon Bernd Witthüser abhandengekommen war. Überhaupt: zusammen, das war Baiers Haupt-Spielweise, etwa mit der Protestsängerin Fasia Jansen, mit der Walter h.c. Meier Gang, mit dem madegassischen Liedermacher Tselonia und der Gruppe Rossy (weshalb die Ukulele auf Madagaskar heute „Frankbaier“ heißt), mit dem Bandoneonorchester Gut-Ton oder auch mit der der Rap-Formation „Sons of Gastarbeita“.

„1920 – Lieder der Märzrevolution“ mit den Grenzgängern und den Sons of Gastarbeita

Mit ihnen und den „Grenzgängern“ um den Liedermacher Michael Zachcial gelang Frank Baier 2006 noch einmal ein richtig großer Wurf: Das Album „1920 – Lieder der Märzrevolution“, dass rockig, folkig, rappend an diesen blutigen Arbeiteraufstand im Revier erinnerte, Protest und Solidarität in die Gegenwart holte und verdientermaßen den „Preis der deutschen Schallplattenkritik“ einfuhr.

Baier engagierte sich für Hausbesetzer und gegen den Schnellen Brüter („Bauer Maas – Lieder gegen die Atomenergie“), für die Rechte von Zuwanderern und gegen das Vergessen von Traditionen der Arbeiterbewegung. Er, der nicht nur Gitarre, Schifferklavier und Ukulele, sondern mit seinem unerschütterlichen Enthusiasmus nötigenfalls auch Nervensäge für den guten Zweck spielen konnte, brachte sich mit Mitte 50 auch noch das Harfespielen bei, sang gelegentlich in einem Oberton-Chor: Er war einer, der nicht nur an den Fortschritt der Gesellschaft glaubte, sondern auch sich selbst unablässig weiterentwickelte.

„Glück auf – Liederbuch Ruhr“ und „Dat muss doch auch wat Spässken bringen“

Mit dem Historiker Detlev Puls gab er, der Jahrzehnte lang nach alten Songs und Gedichten geforscht hatte, Anfang der 80er-Jahre die „Arbeiterlieder aus dem Ruhrgebiet“ heraus; Ende 2012 folgte der ziegelsteindicke Sammelband „Glück auf – Liederbuch Ruhr“, das er mit dem Musikjournalisten Jochen „Liederjan“ Wiegand zusammengetragen hatte und das neben traditionellen Revier-Liedern auch Songs wie „Currywurst“ und „Katzeklo“ umfasste. Denn Frank Baiers Leben war viel Kampf, aber beileibe nicht nur – im Gegenteil. Sein Lebensmotto war vielmehr: „Dat muss doch auch wat Spässken bringen“.

Genau so wird er uns nun in Erinnerung bleiben, nachdem er am vergangenen Samstag völlig überraschend im Alter von 79 Jahren in die ewigen Liedgründe umgezogen ist. Wie man ihn kennt, bringt er jetzt wahrscheinlich gerade dem lieben Gott das „Steigerlied“ bei.