Essen. Clemens J. Setz’ Buch über die Welt der Plansprachen heißt „Die Bienen des Unsichtbaren“ und führt in eine Welt voller Absurdem und Skurrilem.

Der 1982 in Graz geborene Clemens J. Setz hat ein Buch über Plansprachen geschrieben. Als er „Die Bienen des Unsichtbaren“ vor gut sechs Jahren begann, so Setz, habe er selbst nicht geahnt, dass diese Welt noch „weitgehend unentdeckt“ war. Setz erzählt von Weltsprachen, die keine Welt mehr besitzen, und von der Faszinationskraft der Nonsens-Sprachen. Den Titel seines Buches hat er einem Brief Rainer Maria Rilkes entlehnt, der seinem polnischen Übersetzer einst schrieb: „Wir sind die Bienen des Unsichtbaren.“ Ob das nicht die beste Definition von Dichtern in erfundenen Sprachen sei, meint Setz : „Sie bringen Ertrag und Nährstoffe von einer Quelle, die sonst kaum jemand sehen kann.“

Schier unüberschaubar scheint die Welt der Plansprachen. Nach der Lektüre meint man immerhin ein bisschen mehr sehen zu können. Setz’ Buch ist eine Wunderkammer aus Worten. Ein faszinierendes Werk, das neue Welten eröffnet. Er widmet sich darin den Erfindern von Kunstsprachen ebenso wie ihren Dichtern, deren Verse er übersetzt.

Blissymbolics, die Sprache, die nicht böse werden sollte

Da ist von Karl Kasiel Blitz (1897-1985) zu lesen, der schon als Kind in Czernowitz von Schulkameraden seiner jüdischen Abstammung wegen verspottet, später nach Dachau und Buchenwald deportiert wird, wo er sich schwört, eine Sprache zu erschaffen, die nicht von den Bösen instrumentalisiert werden kann. Nachdem er die Konzentrationslager überlebt hat, gibt er sich in England den Namen Bliss und erfindet eine sich aus Symbolen zusammensetzende Sprache, die heute als „Blissymbolics“ bekannt ist. Nicht selten, so folgert Setz, geht dem Erfinden einer Sprache eine Lebenskrise voraus.

Clemens J. Setz , der sich als Jugendlicher für Literatur nicht interessierte, bis er die Lautgedichte von Ernst Jandl kennenlernte, erzählt das alles nicht auf akademische Weise, sondern bricht es an sich selbst und seinen persönlichen Erfahrungen. Und wie immer bei diesem Autor, ist das, was er erzählt, unglaublich. Lautet das Wort für „christlich“ in der vom Priester Johann Martin Schleyer (1831-1912) erfundenen Plansprache Volapük wirklich „kritik“? Wollte die Amerikanerin Suzette Haden Elgin (1936-2015) mit Láadan fürwahr eine Frauensprache erfinden, um die Gefühle von Frauen besser auszudrücken? Brachte Thomas Manns Tochter Elisabeth Mann Borgese (1918-2002) ihrem Setter Arli auf einer Schreibmaschine tatsächlich das Dichten bei? Und wird „Frau“ in der von John Weilgart (1913-1981) kreierten Sprache aUI mit „nicht aktives rundes Ding“ übersetzt? Weilgart blieb der Einzige, der seine Kunstsprache benutzte. Surreal: Die Niederösterreichische Landesnervenklinik Gugging wurde durch das Wirken des Psychiaters Leo Navratil zu einer Künstlerkolonie und brachte Wortakrobaten wie August Walla, Edmund Mach oder Ernst Herbeck hervor.

Der Nerd und der Poet

Clemens J. Setz verbindet die technische Intelligenz des Computer-Nerds mit der sinnlichen Wahrnehmung des Schriftstellers und schafft so eine eigene Form von Literatur. An seinem faszinierenden Buch, das weder Roman noch Sachbuch ist, werden Linguisten ebenso ihre wahre Freude haben wie jeder, der offen ist für Neues.

Clemens J. Setz: Die Bienen des Unsichtbaren. Suhrkamp, 416 S., 24 Euro.