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Der junge österreichische Autor Clemens J. Setz, Preisträger der Leipziger Buchmesse, wagt sich in seinem Erzählband „Die Liebe zur Zeit des Mahlstädter Kindes“ an Sado-Maso-Prosa und Horror-Grotesken.

Er galt als Außenseiter. Seine kurzen Stories erzählen von Gewalt und Abhängigkeit. Dass dies junge Talent den Preis der Leipziger Buchmesse bekam, überraschte.

Dies galt 2009 im Fall von Clemens Meyer. Dies gilt 2011 für Clemens J. Setz.

Geschichte wiederholt sich eben doch. Und sie erzählt auch von der Dynamik preisvergebender Jurys, die das „Authentische“ lieben. Während Meyer aber tatsächlich kraftvoll dem echten Leben seine Worte abringt, steht Clemens J. Setz Prosa eher unter Kunsthandwerksverdacht.

Mit seinem komplexen, hoch artifiziellen Roman „Die Frequenzen“ stand der 1982 geborene Österreicher bereits auf der Shortlist zum Deutschen Buchpreis. Mittlerweile wechselte Setz vom kleinen Residenz-Verlag zum renommierten Suhrkamp-Verlag. Kurz: Das wird wohl was mit der Schriftstellerkarriere.

Und doch – viele der 18 Stories kommen seltsam ungelenk daher, als stolpere der Autor über seinen eigenen Mut (denn den hat er). Horror und Groteske verbindet Setz mit Sado-Maso-Momenten von Körper und Geist: Eine Frau will in einen Käfig gesperrt werden, ein Ehepaar quält sich phantasievoll, Bürger einer Stadt schlagen auf die Skulptur eines Kindes aus Lehm ein (das „Mahlstädter Kind“). Oder: Eine Karrierefrau muss entdecken, dass ihre Visitenkarten von einer Art Beulenpest befallen sind, Kollegen ekeln sich, dann greift die Seuche auf alle und alles über. Am Ende lacht ein Bettler über einen von Eiterbeulen zerfressenen Geldschein: „Sein Zeigefinger vollführte einen heiteren Pirouettentanz, zeigte überallhin, auf die ganze Stadt, die ganze Welt.“ Das System zersetzt sich also selbst, sollen wir verstehen. Bisschen dicke, oder?

Andererseits: Alpträume sind natürlich so – überzogen, übertrieben, übermütig. Vielleicht sind Setz’ Stories so zu verstehen wie jene blaue Kiste, die der kleine Junge in „Milchglas“ unter seinem Bett versteckt hält: darin Bilder des Schreckens, von Leid und Tod. Diese Bilder sollen ihm helfen, den Horror der Realität zu ertragen – ein Kunstbollwerk.

Clemens J. Setz: Die Liebe zur Zeit des Mahlstädter Kindes. Suhrkamp, 350 S., 19,90 €