Letzte Folge von „Mein Beethoven“: NRW-Kulturministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen über ihre lebenslange, enge Beziehung zu dem großen Komponisten.

Meine erste Begegnung mit Ludwig van Beethoven fällt wirklich in die Kindheit. Als wir vier Kinder sozusagen aus dem gröbsten Kleinkinderalter heraus waren, da widmete sich meine musikliebende Mutter wieder dem lange vernachlässigten Klavierspiel. Für Kinder heute ist das vielleicht schwer vorstellbar, aber wenn sie übte - das war ein ehernes Gesetz - hatten wir um acht natürlich still und brav im Bett zu liegen. Das waren die Stunden meiner Mutter, sie hat das einfach für sich getan. Es ist ja heute noch anstrengend viele Kinder großzuziehen, aber damals wohl noch ein bisschen mehr, weil es weniger praktische Hilfen gab. So war die Musik ihre abendliche Insel.

Aber natürlich hörte man das Klavier im Haus, es waren reichlich Beethoven-Sonaten darunter. Und so habe ich Beethoven sozusagen durch die Kinderzimmertür kennengelernt, jeden Abend! Deswegen habe ich diese Werke bis heute alle im Ohr, sie sind mir nach wie vor sehr vertraut. Meine Mutter blieb in meinem Fall auch danach noch gewissermaßen „Beethoven“-Botschafterin. Sie hatte, wie das früher üblich war, ein Abonnement für das Aachener Sinfonieorchester. Einen von uns nahm sie auf ihre zweite Karte mit. Da ich die letzte in der Reihe war, bin ich sehr viel mitgegangen. Da hab’ ich mein persönliches Repertoire erworben, natürlich mit reichlich Beethoven.

NRW-Ministerin Pfeiffer-Poensgen entdeckte Beethoven schon als Kind

Auch wenn ich dann Jura studiert habe: Beethoven blieb. Die ersten Semester war ich in Bonn, als Student kam man günstig an Karten, da durfte ich in der Beethoven-Halle grandiose Konzerte erleben. Da hat sich etwas verankert, was mir bis heute geblieben ist: eine große Leidenschaft, Musik live zu hören. Das ist für mich unvergleichlich geblieben. Ich bin eine „Groß-Konsumentin“ von Live-Musik, bis heute gehe ich wahnsinnig gern in Konzerte aller Art. Ich verdanke diesen Besuchen wirklich Sternstunden meines Lebens, von Martha Argerich über Claudio Abbado bis Simon Rattle.

Zu Beethovens Werk gibt es noch aus einem ganz anderen Grund eine sehr intensive Beziehung. Mein Berufsleben hat mich ganz eng zu diesem Komponisten geführt. Als ich die Kulturstiftung der Länder geleitet habe, konnten wir eine Reihe von Originalhandschriften für das Archiv des Bonner Beethoven-Haus erwerben. Das führte natürlich dazu, dass ich mir die Originale anschauen durfte.

Unvergessen: Wie die Ansicht der Originalpartituren auch große Künstler berührte

Ich hatte das schon in meiner Zeit an der Musikhochschule Köln gemeinsam mit Künstlern getan. Das waren internationale Größen, die sich ein Leben lang mit bestimmten Werken Beethovens auseinandergesetzt haben. Was mich damals so wahnsinnig berührt hat, war zu erleben, wie ergriffen weltberühmte Geiger und Pianisten waren, als sie im Bonner Archiv das Original dieses Stückes anschauen konnten. Es war wirklich spürbar, wie die Nähe zum Schöpfer dieser Musik die Künstler berührte.

Ich habe das immer wieder organisiert, ich war unheimlich gerne in diesen Momenten dabei. Es war einfach aufregend. Als wir später, von Berlin aus, das Original der „Diabelli-Variationen“ erwerben konnten, ein ganzes Konvolut mit über 40 Blättern, da war auch mir der schaffende Beethoven unglaublich präsent. Da war nichts ordentlich beschrieben, da waren Kleckse, Striche, Änderungen. Das war in meiner Wahrnehmung wirklich lebendig und darum ganz besonders beeindruckend. Da war einem der Mensch, der diesen Geniestreich schuf, plötzlich ganz nah. Aufzeichnung: Lars von der Gönna

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ZUR PERSON

Die nordrhein-westfälische Kultur- und Wissenschaftsministerin Isabell Pfeiffer -Poensgen wurde 1954 in Aachen geboren. Stationen nach ihrem juristischen Staatsexamen waren die Wissenschaftsbehörde Hamburg und das Amt der Kanzlerin an der Kölner Musikhochschule. 2004 wurde sie Generalsekretärin der Kulturstiftung der Länder.

Armin Laschet, ebenfalls Aachener, berief sie 2017 in sein Kabinett. Ein Jahr später wählte der Deutsche Hochschulverband sie zur „Wissenschaftsministerin des Jahres“.