Seine Wiege stand in Duisburg und schon als kleiner Junge hörte der heutige Stargeiger Frank Peter Zimmermann gern Beethoven. Er erzählt davon.
Meine ersten Begegnungen mit Beethoven fanden wohl unterm Wohnzimmertisch statt. Ich muss fünf oder sechs gewesen sein; mein Vater, Cellist der Duisburger Philharmoniker, hatte eine stattliche Plattensammlung. Und ich weiß sehr genau, welches Werk mich damals besonders packte: Beethovens Violinkonzert mit David Oistrach. Die LP habe ich wirklich sehr oft gehört. Sie hat mich für mein ganzes Leben geprägt. Vor allem Oistrach ist mir ein großes Vorbild gewesen.
Aber ich war dann schrecklich enttäuscht, als ich das Violinkonzert zum ersten Mal live hörte. Das hatte nichts mit der musikalischen Qualität zu tun, aber im Stil der damaligen Aufnahmen hatte die LP den Geigenpart akustisch natürlich extrem in den Vordergrund gestellt – und nun, in der großen Mercatorhalle in Duisburg, war der Geigenton halt viel kleiner.
Heute ist der Duisburger Frank Peter Zimmermann einer der größten Geiger der Welt
Das Hören daheim war ein Zuhören, mir hat das als Kind sehr gefallen. Sonntags probte mein Vater mit Kollegen Streichquartett. Ganz still dabei zu sein, das mochte ich. Vermutlich saß ich mit Spielzeugautos oder Lego auf dem Boden und lauschte Schubert oder Ravel.
Selbst gespielt habe ich Beethoven – einfache Werke – schon sehr früh mit meinen Eltern, meine Mutter war ja Geigerin. Da muss ich sechs oder sieben gewesen sein. Meine erste Sonate, das weiß ich ganz genau, war die Frühlingssonate: Ich habe sie als Folkwang-Student in Essen bei meinem ersten Professor erarbeitet.
Für den Musiker Zimmermann bleibt Beethovens Werk eine Lebensaufgabe
Das ist lange her. Allein das Violinkonzert habe ich inzwischen über 300 Mal gespielt. Von allen Werken habe ich mich mit diesem wohl am meisten beschäftigt. Mit 16 Jahren habe ich es das erste Mal gespielt, später mit den besten Kollegen der Welt vom Philadelphia Orchestra bis zu den Berliner Philharmonikern – und mitunter unter den verrücktesten Umständen, etwa im albanischen Tirana, als gerade die Grenze gefallen war. Aber gleich, wie der Rahmen war: Es ist und bleibt für mich der Mount Everest dieser Gattung. Man ist in jeder Sekunde dabei und gestaltet mit.
Zimmermann über Beethovens Violinkonzert: Mit diesem Werk ist man nie „fertig“
Natürlich verändert sich etwas in der Sicht, „fertig“ ist man mit solch einem Geniestreich ja nie. Vom romantischen Ton Oistrachs habe ich mich nach und nach wegbewegt. Seit ein zwei Jahren – für manche Dirigenten ist das durchaus gewöhnungsbedürftig – spiele ich beim Violinkonzert sämtliche Tuttis mit (Anm. d. Red: die Einsätze der gesamten ersten Geigen), quasi als primo inter pares. So erwächst das Solo, wie bei Bach oder Mozart, wirklich aus dem Orchester heraus. Auch ich komme so einfach schöner in den Fluss dieses Werkes, das ja lange Zeit viel zu dramatisch und pathetisch zelebriert worden ist. Dabei steckt extrem viel Kammermusik darin.
Was einem als Musiker immer wieder auffällt, ist die Tatsache, wie brillant Beethoven die Möglichkeiten der Instrumente ausgeschöpft und gestaltet hat. Diese Akribie spürt man aus jedem Stück. Er hat ja jede Sinfonie in den privaten Sälen und Palästen seiner Gönner tagelang probiert, um dann noch die Partituren zu verändern. Alles, was Beethoven komponiert hat, zeugt von unglaublichem Wissen über Instrumente – und dennoch hat er als Komponist Grenzen überschritten, hat komponiert, was zu spielen eigentlich unmöglich ist.
Lieblingsstücke? Das ist wirklich sehr schwierig! Als Teenager war ich fast süchtig nach den Klaviersonaten. Aber Beethovens Fülle und Qualität ist einzigartig. Es steckt so derart viel Kostbares in seinem Werk, allen voran in den Quartetten. Aber auch im Erzherzog- oder Geistertrio, da steckt wirklich Musik für die Ewigkeit drin. Kein Zweifel: Er ist einer von den drei ganz großen Komponisten gewesen, die je gelebt haben.
Aufzeichnung Lars von der Gönna
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ZUR PERSON
„Ich will einmal Weldgeiger werden“ hat der 1965 geborene Frank Peter Zimmermann als Sechsjähriger geschrieben – und so kam es.
Seit mehr als einem Vierteljahrhundert zählt der gebürtige Duisburger zu den bedeutendsten Geigern auf internationalen Konzertpodien. Heute lebt er mit seiner Familie in der Nähe von Köln.