Essen. Vom Fast-Sportler zum Olympia-Alleskönner: Schriftsteller Ilija Trojanow hat alle Disziplinen im Selbstversuch trainiert und darüber geschrieben.

Ab Freitag also werden wir also vor dem Fernseher sitzen, atemlos, und diesen irren Körpern zusehen: Wie sie durchs Wasser pflügen, über Hürden springen. Wie sie laufen, machen, tun. Es wird Zahlen regnen, Minuten und Sekunden, Distanzen und Platzierungen. Nur werden die Zahlen uns eine Frage nicht beantworten – was bedeuten diese Leistungen?

Olympia 2012 weckt sein Interesse an so vielen Sportarten

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Vor vier Jahren saß der Schriftsteller Ilija Trojanow vor dem Fernseher. Er verfolgte die Sommerspiele 2012 in London und stellte sich eben diese Fragen „an das Wie und Warum“, denn: „Der perfekt ausgeführte Schlag, Stoß oder Wurf stand als Ausrufezeichen hinter einer mir unbekannten Geschichte.“ Trojanow, der mit dem Roman „Der Weltensammler“ zum Bestseller-Autor geworden war, beschloss: Er würde nun Sportarten sammeln, würde sich in den 80 Disziplinen der 23 sommerolympischen Einzelsportarten trainieren lassen – mit dem Ziel, mindestens halb so gut zu werden wie die Olympiasieger.

Ein Vier-Jahres-Projekt, so irre wie spontan, oder vielleicht doch nicht ganz so spontan: Immerhin waren Trojanows Eltern einst Leistungssportler, der Vater Hürdenläufer, die Mutter Volleyballspielerin. Und schon als Flüchtlingskind war der kleine Ilija, der 1965 in Bulgarien geboren worden war, durch München gestreift in der Hoffnung, eine Blick auf die olympischen Athleten von ‘72 erhaschen zu dürfen. Später besuchte er in Kenia ein Sportinternat, spielte gerne und gut Tennis. Nun aber begann er mit einem harten Fitnesstraining und einer drastischen Ernährungsumstellung: „Richtig trainieren, das begriff ich allmählich, bedeutet nichts anderes, als eine ehrliche Unterhaltung mit dem eigenen Körper zu führen.“

Seine Wochenplanung war genau durchgetaktet

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Der Fast-Schon-Sportler suchte sich Trainer für die verschiedenen Disziplinen, die fortan in munterer Mischung sein Leben bestimmten: „In einer typischen Woche lief ich am Montag Intervalle, lernte am Dienstag die Riposte im Degenfechten, versuchte mich am Mittwoch an verschiedenen Schlagkombinationen unter der Ägide einer 78-jährigen Boxlegende.“ Dennoch ist Trojanows Buch kein Sportbuch.

Zwar kann man im Kapitel „Freistil“ alles erfahren über die Technik des „Total Immersion“, aber auch, dass Edgar Allen Poe und Lord Byron begeisterte Schwimmer waren: „Für Byron war Schwimmen so wichtig wie Sex.“ Zugleich gelingt es Trojanow, die Faszination und moderne Subkultur der jeweiligen Sportart aufleuchten zu lassen: Da gleicht das Schwimmen einer „Reise ins Ich“, da schreiten die Boxer im legendären Gleason’s Gym in Brooklyn auch verbal schlagkräftig durchs Leben – und nennen sich liebevoll „Killer“.

Der Amateur besiegt sich selbst

Was bleibt? Trojanows lesbarer Stolz, dass ein Amateur als „Liebender“ (so die Bedeutung des Wortes) sein Ziel der halbierten Olympia-Leistung zwar nicht immer, aber erstaunlich oft erreicht hat. Es bleibt die Erinnerung an Glücksmomente, in denen etwas gelang: „die entscheidende Hüftrotation, die müheloses Kraulen ermöglicht“. Und es bleibt die Erkenntnis, dass der eigentliche Gegner in einem selbst steckt: „Der einzige Mensch, den es zu besiegen galt, war ich selbst.“

Ilija Trojanow: Meine Olympiade. Ein Amateur, vier Jahre, 80 Disziplinen. S. Fischer, 336 S, 22 €