Essen. Sie ist ein stiller Star, aber die Kraft ihrer Musik scheint grenzenlos. Ein Gespräch mit Hélène Grimaud, die am 28. Mai den Preis des Klavierfestivals Ruhr erhält.
Zwar hat jenseits ihres außergewöhnlich intensiven und leidenschaftlichen Klavierspiels Hélène Grimaud nichts so berühmt gemacht wie ihr kühnes Engagement für Wölfe. Doch mittlerweile mag die Pianistin nicht mehr davon reden. Sie erbat ein wolfsfreies Interview. Wer sind wir, der diesjährigen Preisträgerin des Klavierfestivals Ruhr so einen Wunsch abzuschlagen? Michael-Georg Müller sprach mit Hélène Grimaud.
Madame Grimaud, Sie treten weltweit auf. Seit 1991 auch beim Klavierfestival Ruhr. Was bedeutet dieses Festival für Sie?
Hélène Grimaud: Es ist ein Ort, an den Musiker immer wieder gerne zurückkommen. Ein Ort der Dankbarkeit für mich und ein außergewöhnliches Festival, nicht nur weil es nur einem Instrument gewidmet ist, auch wegen des Publikums. Hier, im Ruhrpott, wie man sagt, reagiert das Publikum so authentisch.
Das Klavierfestival Ruhr ehrt Sie mit einem Preis. Wenn Sie unbescheiden sein müssten, was würden Sie selbst an Ihrem Spiel als „besonders“ schätzen?
Grimaud: (schmunzelt) Ich versuche es mal, obwohl es schwierig ist. Mein Spiel gründet auf Gefühlen. Nur darum geht es in einem Konzert, sonst kann man auch zu Hause bleiben. Man muss alles geben und Risiken eingehen. Sonst passiert nichts Außergewöhnliches im Konzertsaal.
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Wie gehen Sie bei der Interpretation eines Stückes vor?
Grimaud: Zunächst interessiert es mich, durch die Partitur viele Informationen über den Komponisten zu erhalten. Über den künstlerischen, historischen und politischen Hintergrund der Entstehungszeit. Und dann beginne ich an einigen Stellen zu experimentieren. Und suche nach einer Balance zwischen Partitur und eigenen Empfindungen. Doch das Ergebnis für den Hörer ist jedes Mal ein anderes. Ein Konzert, das ich vor fünf Jahren auf CD eingespielt habe, spiele ich heute ganz anders.
Sind Sie locker oder perfektionistisch?
Grimaud: (lacht) Locker bin ich leider nicht, eher zu perfektionistisch.
Wann empfinden Sie Perfektionismus als Hindernis?
Grimaud: Wenn man zu perfektionistisch ist, verliert man essentielle Dinge leicht aus dem Auge. Man muss aber trotzdem zu einer Freiheit des Ausdrucks kommen. Meist wird dies bei mir aber zu einer Kopf-Sache. Da ringe ich immer um Balance. Wichtig ist aber, dass keine Interpretation fertig ist. So entdecke ich bei jedem Konzert neue Details. (lacht) Wissen Sie, man darf einfach nicht ausruhen.
Was machen Sie am liebsten nach einem Konzert?
Grimaud: Das hängt von der Situation ab. Da hat sich erst einmal viel Adrenalin aufgestaut. Und von der Konzentration auf die Musik muss ich mich zunächst befreien. Eigentlich brauche ich dann nur noch Ruhe, absolute Ruhe. Aus Höflichkeit spreche ich zwar kurz mit Organisatoren oder auch schon mal mit dem Publikum. Aber nach langen Gesprächen oder einem gemeinsamen Essen ist mir nicht zumute.
Wo entspannen Sie sich am besten?
Grimaud: In der Natur, mit Tieren und Sport. Wir haben zu Hause zwei Hunde und zwei Pferde. Die verlangen viel Arbeit. Aber das macht mir Spaß und entspannt mich.
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An Ihrem Schweizer Wohnsitz oder in New York?
Grimaud: Lieber in New York, aber wir wohnen ja dort auf dem Land.
Sie sind durch Überanstrengung schon mal krank geworden, haben sich zurückgezogen. Wie gehen Sie heute damit um?
Grimaud: Ich habe aus der Krankheit Konsequenzen gezogen. Wichtig ist, dass man Zeichen der Überanstrengung nicht übersieht. So versuche ich heute bei einer Tournee mit vielen Auftritten, mindestens zwei bis drei Tage zwischen den Terminen auszuruhen. Und mich auf ganz andere Dinge zu konzentrieren.
Ein Leben ohne Klavier zu spielen, ohne als Pianistin aufzutreten, ist das überhaupt vorstellbar für eine Hélène Grimaud?
Grimaud: Nein. Aber ich werde mich auch immer um andere Dinge kümmern. Auch um mein Engagement für den Natur- und Umweltschutz.
28. Mai, 20 Uhr: Hélène Grimauds Programm „Wassermusik“, Philharmonie Essen. Nur noch wenige Restkarten für 70 und 80€, Tel. 01806-500 803