Essen. . Das Museum Folkwang in Essen zeigt derzeit Fotografien von Robert Frank, der als Erfinder der Street-Photography gilt. Nach der Schau werden die Bilder geschreddert.
Als Robert Frank Mitte der 50er-Jahre für sein legendäres Buch „The Americans“ quer durch die Vereinigten Staaten reiste, hat er über 27.000 Belichtungen gemacht. Schnell entstandene, spontan entdeckte und schmerzhaft-wahre Fotos, von denen am Ende nur 83 Aufnahmen in das wohl berühmteste Fotobuch des 20. Jahrhunderts fanden. Dass es Bilder für die Ewigkeit wurden, ein Meilenstein der Reportagefotografie, auf dem Kunstmarkt zu Rekordpreisen gehandelt, war damals nicht abzusehen.
Wie eine große Wandzeitung
Heute sind die Bilder so kostbar und lichtempfindlich, dass sie nur noch selten das machen können, was Robert Frank sein Leben lang tat – auf Reisen gehen. Längst sind konservatorische Ansprüche und Versicherungs-Kosten so hoch, dass sich nur noch große Museen eine Robert-Frank-Ausstellung leisten können. Aber weil das Elitäre und Marktorientierte dem 1924 in der Schweiz geborenen und 1947 nach Amerika ausgewanderten Erfinder der Street-Photography so gar nicht entspricht, hat sich Frank zusammen mit dem Verleger Gerhard Steidl eine Alternative ausgedacht. Mit „Books and Films 1947-2014“ schickt er die Bilder noch einmal auf Welttournee und schlägt der eigenen Musealisierung zugleich ein gewaltiges Schnippchen.
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Im Essener Museum Folkwang ist dieses ungewöhnliche Projekt ab sofort zu sehen. Eine Fotoschau ohne Passepartout und Rahmen, sogar ohne eigenen Ausstellungsraum. Im großzügigen Chipperfield-Bau sind die Aufnahmen einfach die Foyer-Gänge entlang gehängt, wie eine große Wandzeitung. Gedruckt auf mehr als drei Meter langen Zeitungspapier-Bahnen, die Auszüge aus Franks Büchern wie kleine Erzählungen daherkommen lassen. Kurze Bildergeschichten, Erinnerungen, bekritzelte und bearbeitete Negative mit zunehmend autobiografischen Bezügen, eine Art Alltags-Autobiografie im Vorbeigehen. Selbst der Katalog ist im Zeitungs-Format der Süddeutschen gedruckt und kostet so viel – 2,60 Euro.
London, New York, Tokio
Von Essen aus, wo Robert Frank 2000 in der von Ute Eskildsen glorreich kuratierten Ausstellung „Hold still – Keep going“ noch einmal persönlich zu erleben war, geht die Ausstellung in alle Welt: London, New York, Tokio, es sind 50 Stationen. Aussehen wird sie an jedem Ort anders. Bleiben wird von ihr nichts. Kein Original-Abzug, kein signiertes Sammlerstück. Denn dass die Papierbahnen nach jeder Schau geschreddert werden, hat Frank selbst verfügt.
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„Cheap, quick and dirty“, billig, schnell und unprätentiös, genau so hat es sich der lebende Foto-Klassiker gewünscht. Und ließ die Ausstellung zum Probegucken in der heimischen Uni von Nova Scotia hängen, bevor sie nun in Kunstakademien, Museen und Fotohochschulen ihr vor allem junges Publikum finden sollen. Amerika-Bilder. die meilenweit entfernt sind vom Hochglanz-Image. Spiegelbilder einer Nation, die damals lieber wegsah statt das zu erkennen, was Frank zeigt: Entfremdung, Rassenhass, Konsumleere. Die vertrauten Symbole des amerikanischen Traumes hatten bei ihm plötzlich etwas Fremdes, Enttäuschendes.
Schlecht fürs Image
Wenige Jahre später legte Frank die Kamera zur Seite und rief mit Heroen wie John Cassavetes und Peter Bogdanovich das „New American Cinema“ aus. Viele seiner Filme – vom Underground-Poem „Pull My Daisy“ bis zu „Last Supper“ sind ebenfalls in Essen zu sehen.
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Der „Cocksucker Blues“, der 1972 auf Tour mit den Rollings Stones entstand, blieb allerdings im Giftschrank. Die Band sperrt sich bis heute gegen die Aufführung – schlecht fürs Image.
Episoden, Skizzen
Im Mittelpunkt der Ausstellung aber steht der Fotograf Frank, der die Kamera auch später nicht aus der Hand gibt. Aus der subjektivistischen Reportagefotografie wird eine reflektierende Fotografie, der die Zweifel an der eigenen Wirkung ebenso eingeschrieben sind wie die Erfahrungen des persönliches Verlustes. So formen sich die bewegten und starren Bilder zu kleinen Episoden, Erinnerungen, Tagebuchskizzen. Dass daraus ein Gesamtkunstwerk würde, hat Robert Frank niemals beabsichtigt.
- Museum Folkwang, Museumsplatz 1. Bis 16. August, dienstags bis sonntags 10-18 Uhr, donnerstag und freitags bis 20 Uhr.