Köln. Die Kunstmesse Art Cologne ist am Mittwoch in Köln gestartet. Die ausstellenden Galeristen legen sich ins Zeug, um teure Kunst an Mann und Frau zu bringen.

Der Sound der Art Cologne ist der Smalltalk, und dort steht dieses Jahr einer im Mittelpunkt, der gar nicht da ist, aber allseits vermisst wird: Helge Achenbach, der hier sonst zu hochgradig unterhaltsamer Höchstform auflief und statt der schillernde Kojenwelt der Art nun eine graue Knast-Existenz fristet.

Der heimliche Sound der Art Cologne aber ist irgendetwas zwischen Scheckbuchknistern, Kassenklingeln und Galeristenjammern. Die Hochkonjunktur für Kunst hält an, zumal sie dank der niedrigen Zinsen immer mehr zur verlockenden Anlageform wird. Und doch verkauft sich die Kunst nicht von selbst, die vielen attraktiven Kunsthistorikerinnen und Mess-Dienerinnen, die sich hier für die Galerien ins Zeug legen, sind der lebende Beweis dafür.

 Offenbar haben die Kunsthändler sogar Grund zum Klagen: Seit über einem Jahr gilt für Kunstverkäufe nicht mehr der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent, sondern der volle von 19 Prozent. Die zuständigen Finanzminister der Länder empfahlen als Ausweg die Margen-Besteuerung, bei der nur ein Teil der Verkaufssumme besteuert wird – aber dieses Verfahren darf so gut wie nie angewandt werden, wie sich nun herausgestellt hat. „Angeblich sollte die volle Mehrwertsteuer ja eine EU-weite Vereinheitlichung bringen“, empört sich Wolfgang Henze von Henze & Ketterer, „aber in Holland gelten nach wie vor nur 6 Prozent Mehrwertsteuer!“

Ein Warhol für 4,4 Millionen Dollar

Henzes renommierte Galerie, die im Schweizerischen Wichtrach bei Bern beheimatet ist, zeichnet ihre Preise in Schweizer Franken aus (3 Millionen für Ernst Ludwig Kirchners Stillleben „Gelbe Blumen“, 1,6 Millionen für dessen raren Farbholzschnitt „Wettertannen“, die Kirchners Erben verkaufen, weil einer von ihnen schwer krank ist), ansonsten geht es in diesem Jahr auf der Art Cologne zwischen Dollar, Euro und Franken munter hin und her, die Unterschiede werden ja immer geringer.

Andy Warhols „Mona Lisa“- Siebdruck von 1979 soll 4,4 Millionen Dollar bringen, ein „Tal“-Gemälde von Neo Rauch 1,1 Millionen Euro und Gerhard Richters „U.L.“-Leinwand 2,9 Millionen, während für die gewohnt dicke „Frau mit Frucht“ von Fernando Botero wiederum in Dollar zu zahlen wäre: eine Million. Vorläufiger Spitzenreiter zum Auftakt am Mittwoch aber war Kirchners „Sommernachtstraum“, kurz vor seinem Selbstmord vollendet und bei Samuelis Baumgarte 7,59 Millionen Euro schwer, „inklusive Steuer“, wie man am Stand betonte.

Kritik am Kapitalmarkt

Es ist in den Kölner Messehallen aber auch Kunst zu sehen, die ein kritisches Verhältnis zum Kapitalmarkt hat, etwa die „Liverpool to let“-Installation der Gruppe Superflex mit 46 handgemalten Bannern aus Vinyl, die ironisch bis sarkastisch den Ausverkauf der europäischen Innenstädte plakatieren; oder die „Migranten“ des Kubaners Yoan Capote, kahle, entwurzelte, vier Meter lange Baumstämme aus Bronze, denen anstelle ei­nes Wipfels ein Turnschuh-Bein gewachsen ist.

Viel Kunst fürs Wohnzimmer

Die meiste Kunst auf der Cologne taugt aber nach wie vor fürs Wohnzimmer, vorwiegend der Schönen und Reichen, versteht sich. Bei der Dortmunder Galerie Utermann lässt Emil Noldes seeluftiges „Küstenlandschaft mit Segelbooten“- Aquarell selbst betuchte Damen nach Luft schnappen („140.000 – ich glaub’ es nicht!“), bei Hans Mayer, der Düsseldorfer Galeristen-Legende und als Mitbegründer der ältesten Kunstmesse der Welt in diesem Jahr Art-Cologne-Preisträger, müsste man sich entscheiden zwischen dem munterbösen „Roten Hund“ von Keith Haring und einem atemstillstandsfördernden Tigerkopf, den Robert Longo auf eine 2,50 Meter hohe Papierbahn gezaubert hat.

Und wer lange genug sucht und genau genug hinsieht, mag auch kleine Preziosen finden wie das zauberschöne Aquarell „Gelbe Rose“ von Christan Rohlfs (Remmert & Barth, 7600 Euro) oder Roman Kochanskis eisdielenfarbene „Rusty“-Szene mit den Schemen eines exotischen Vogels auf einer Kaffeetasse (3900 Euro, Galerie Löhrl). Und noch ein wenig darüber nachdenken, ob der Mann mit dem Pappschild nun von der Messe angeheuert war oder eine subversive Kunstaktion. Auf dem Schild stand: „Hell erstrahlen alle Mienen / bei dem schönen Wort verdienen“.