Essen. . Pädophilie ist eine angeborene Neigung – so gefährlich wie schwer behandelbar. Therapeuten versuchen es trotzdem, damit von den Männern keine Gefahr mehr ausgeht. In Ambulanzen reden sie über ihren dunklen Trieb - und sollen verstehen, welches Leid sie für die Opfer bringen.

In Deutschland leben etwa 250.000 Männer mit pädophilen Neigungen. Doch auf kaum einem anderen Gebiet ist die Dunkelziffer so extrem hoch. In so genannten „Dunkelfeld-Ambulanzen“ sollen diese Männer behandelt werden. Anonymisiert. Ob die Therapie gelingt, weiß niemand genau. Dennoch gilt sie als ein Weg, die Opfer vor ihnen zu schützen.

Eine dieser Ambulanzen, in der pädophile Männer erfundene Namen tragen, befindet sich in Berlin. „Manuel“, 33, Informatiker, sagt: „Mir war eigentlich immer klar, dass ich Hilfe benötige. Allerdings habe ich mich lange nicht getraut, mit jemandem darüber zu sprechen.“

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Das Ziel dieser Ambulanzen – eine soll bald in Düsseldorf entstehen – ist es, „sexuelle Übergriffe auf Kinder und Jugendliche sowie den Konsum von Missbrauchsabbildungen zu verhindern“, heißt es am Institut für Sexualmedizin der Charité in Berlin. Der Projektname lautet: „Kein Täter werden“.

Kinderpornos, sexueller Missbrauch – gibt es eine Verbindung?

Erst Kinderpornos, dann sexueller Missbrauch – gibt es diese Verbindung? Professor Boris Schiffer, Leiter der Forensischen Psychiatrie beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe in Bochum sagt: „Bei einem hohen Anteil der verurteilten Kindesmissbraucher kann belegt werden, dass die Männer auch Kinderpornos geguckt haben.“ Allerdings treffe der Umkehrschluss nicht direkt zu. Wer Kinderpornos guckt, werde nicht automatisch zum Vergewaltiger.

So die Studienlage, aber dennoch: Das Strafgesetzbuch fasst im Paragraphen 176 „Kinderpornografie“ und „Sexueller Missbrauch von Kindern“ zusammen. Den Kindern werde Grausames zugefügt, in beiden Fällen. Man darf das Schauen von kinderpornografischen Bildern keinesfalls bagatellisieren, heißt es in den Ambulanzen.

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Aber was kann man tun? Schiffer deutet an, wie schwer die Therapie ist. Das Rückfallrisiko von Kindesmissbrauchern schwanke. Schiffer sagt, dass die Gefahr, rückfällig zu werden, sehr hoch ist. Trotz Therapie, trotz Pillen, den so genannten Anti-Androgenen, die die sexuelle Funktionstüchtigkeit auf Null fahren.

Umwelt und Erziehung spielen keine Rolle

Die Ursachen der Pädophilie seien nicht bis ins Detail bekannt. „Man geht jedoch davon aus, dass die sexuelle Vorliebe biologisch festgelegt ist. Die Erziehung oder sonstige Umgebungsfaktoren spielen hierbei eher keine Rolle“, erklärt Schiffer. Die Neigung sei also von Geburt an da. Viele Eltern machten sich Vorwürfe. Doch nicht in der Erziehung sei etwas falsch gelaufen. Sogar Jungs, die als Mädchen erzogen wurden, zeigten keine sexuelle Auffälligkeiten, so die Studienlage.

Häufig dringen die abwegigen Gedanken während der Pubertät durch. Ralph (38), Regisseur, berichtet der Berliner Ambulanz: „Mit 15 oder 16 habe ich gemerkt, dass ich mich Jüngeren zugewandt fühle. Ich habe es verdrängt. Als es mit 18 oder 19 immer noch so war, habe ich angefangen, mir ernsthaft Gedanken zu machen.“

Wie fast überall basiert auch in der Berliner Ambulanz die Behandlung auf zwei Säulen: Medikamente und Psychotherapie. Es sind Versuche. Ralf sagt: „Ich hatte verdrängt, dass mit den Fotos Kinder missbraucht werden. In der Therapie lerne ich, mir diesen Teufelskreis bewusst zu machen.“

Doch es bleibt ein Teufelskreis. Denn die Neigung kann man trotz aller Pillen nicht einfach verändern. Auch ist es schwer, die Fortschritte zu überprüfen. Ein Patient wirkt stabil, aber Sicherheit ist so gut wie nie vorhanden. Vielleicht fühlt sich der Mann geheilt, doch wer kann Garantien geben?

Kontrollstrategien erlernen

Christian, 43, Beamter: „Ganz früher bin ich schwimmen gegangen, um zu gucken. Dann habe ich das ganz vermieden, weil ich das nicht mehr wollte. Aber jetzt geht es wieder, jetzt gehe ich nur noch schwimmen, weil ich schwimmen will, denn seit ich hier bin, habe ich Fortschritte gemacht. Ich bin fertig mit der Therapie, wenn ich mir hundertprozentig sicher bin, dass ich verantwortungsvoll handle, das ist es, was ich will.“

Therapeuten setzen auf den persönlichen Willen. Und auf das Erlernen von Kontrollstrategien, so Schiffer. „Wenn so ein Mann von einem Kind an der Bushaltestelle angesprochen wird, muss er es kurz abfertigen, sich umdrehen und gehen.“ Und den Fernseher ausschalten, wenn ein Kind mit nacktem Oberkörper gezeigt wird.

Ob es hilft, Kinder zu schützen?