Kassel. Bei psychischen Problemen im Alter bekommen Senioren meist Medikamente verschrieben. Das ist der einfache, aber nicht immer beste Weg. Denn oftmals würde eine Psychotherapie auch helfen. In Pflegeheimen kann aber oftmals keine Therapie vorgenommen werden. Das liegt auch an der Finanzierungsfrage.
Wenn alte Menschen, zum Beispiel in Pflegeheimen, Depressionen haben, verschreibt ein Arzt oft Medikamente. Helfen könnte aber womöglich auch eine Psychotherapie. Doch dafür gibt es im Alter einige Hürden.
Gehören Ängste und Trauer einfach zum Altsein dazu? Nein, sagt Reinhard Lindner von der Medizinisch-Geriatrischen Klinik des Albertinen-Hauses in Hamburg. Statt Medikamenten helfe oft eine Psychotherapie. Lindner ist Mitorganisator eines Symposiums in Kassel, zu dem sich am 29. und 30. November rund 120 Alterspsychotherapeuten trafen, um über Psychoanalyse und das Altern zu diskutieren.
Wie wird die Psychotherapie im Alter angenommen?
Reinhard Lindner: Es gibt im Alter eine relativ hohe Anzahl an psychisch Kranken. Etwa 25 Prozent (der Menschen) über 70 Jahre haben eine erhebliche psychische Störung. Die erste Behandlung ist aber oft nicht eine Psychotherapie, sondern die Gabe von Psychopharmaka. Das hat mit mehreren Faktoren zu tun. Menschen über 85 Jahre haben oft eine große Scheu, über Persönliches mit Fremden zu reden. Jüngere Alte vertrauen sich gerne an, doch die Versorgungslandschaft trägt dem noch nicht Rechnung. Und sind Alte nicht mehr mobil, kann meist keine Psychotherapie vorgenommen werden, zum Beispiel im Altenheim.
Warum ist eine Psychotherapie in Pflegeheimen denn nötig?
Lindner: Da gibt es noch keine Hilfe. Das ist eine Forderung an die Träger von Pflegeheimen und Krankenkassen, die die Therapie zwar bezahlen. Sie müssen die notwendigen Bedingungen dafür schaffen, dass Hausbesuche von Therapeuten möglich sind. Auch die Politik ist gefordert. Psychische Probleme im Alter sind nicht als gegeben hinzunehmen.
Bei welchen Problemen kann eine solche Therapie denn helfen?
Lindner: Bei vielen Problemen des Alters. Trauer, Verlust oder Veränderungen des Körpers können erhebliche psychische Probleme bewirken. Die Alten haben heute vielfach ein Kindheitstrauma, sie haben den Krieg als Kind erlebt. Flucht, Vergewaltigung, Trauer und Schrecken kommen im Alter vielfach wieder hoch.
Wie können Angehörige psychische Störungen erkennen?
Lindner: Zunächst einmal daran denken. Eine Veränderung der Persönlichkeit ist etwas anderes als alt sein. Schmerzen, Verzweiflung, Trauer - das gehört nicht zum Altsein an sich. Dann kann man den Hausarzt fragen, an wen man sich wenden kann.
Hilft eine Therapie auch noch bei Krankheiten wie Demenz?
Lindner: Man wird nicht von heute auf morgen dement. Bei mittelgradiger Demenz können Trauerprozesse und Ängste aufkommen, die behandelbar sind. Wenn sich jemand nicht mehr an die vorherige Sitzung erinnern kann, wird es schwierig. Dann sollte den Helfern dieser Menschen geholfen werden, wie sie damit umgehen können. (dpa)