Herne/Ulm. Wenn es um die Wirkung von Homöopathie geht, scheiden sich die Geister: Während die einen darauf schwören, halten andere die weißen Kügelchen für wirkungslos und Hokuspokus. Die Autoren Christian Weymayr und Nicole Heißmann warnen nun in einem Buch vor den Gefahren.
Nur wenig größer als ein Stecknadelkopf, milchig-weiß und rund: So rollen Globuli aus der Verpackung - die in der klassischen Homöopathie eingesetzten weißen Kügelchen. Über viele Stufen wird dafür eine pflanzliche, tierische oder mineralische Ausgangssubstanz zuerst mit Milchzucker verrieben. In folgenden Potenzierungsstufen wird der verriebene und damit verdünnte Grundstoff in Alkohol verschüttelt. So sollen Informationen der Ausgangs- auf die Trägersubstanz übergehen.
"Es ist nichts drin außer Zucker. Es sei denn, man glaubt an Geister", sagt Christian Weymayr aus Herne, Autor des Buches "Die Homöopathie-Lüge". "Klassische Homöopathie ist ein völlig anderes Denksystem als die Schulmedizin", hält die Heilpraktikerin Christine Liebing-Gabel, Sprecherin des Verbandes klassischer Homöopathen Deutschlands in Ulm, dagegen. Vielmehr stehe der Mensch im Mittelpunkt. Bis zu zwei Stunden dauert eine Erstanamnese. Sie basiert auf einem umfangreichen Verzeichnis des Erfinders der klassischen Homöopathie, Samuel Hahnemann. Er ließ einst gesunde Menschen ein Mittel einnehmen und bat sie, Symptome aufzuschreiben, die sie daraufhin entwickelten.
Eine Überdosierung ist nicht möglich
"Wir kreisen die Beschwerden immer mehr ein und können so am Ende ein homöopathisches Mittel finden, das auf alle Symptome passt und so ganz individuell zu dem Patienten", erläutert Liebing-Gabel. Die Betonung liegt auf "ein" Mittel. Es werden nicht mehrere verschrieben.
Eine Überdosierung ist laut der Heilpraktikerin nicht möglich. Ob man 5 Kügelchen oder 500 nehme, sei egal. Laut Liebing-Gabel wird mit der Einnahme der Globuli ein gezielter Reiz im Körper gesetzt, die Lebenskraft und Selbstheilung angeregt.
Dass die Kügelchen überhaupt irgendetwas bewirken, bezweifelt Weymayr. Er weist darauf hin, dass die meisten Beschwerden von selbst verschwinden, vor allem die, gegen die homöopathische Mittel eingesetzt werden. "Die Besserung fällt nur zufällig mit der Einnahme der Globuli zusammen", sagt der promovierte Biologe.
Es geht nicht nur darum, ein Symptom zu behandeln
Christoph Laurentius, Mitglied im Deutschen Zentralverein homöopathischer Ärzte, argumentiert, der Mensch sei mehr als die Summe seiner Zellen: "Nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft können wir nicht erklären, warum homöopathische Arzneien wirken. Dass sie wirken, erlebe ich jeden Tag."
Das Dilemma sei, dass unter Homöopathie vieles subsumiert werde. Unglücklich sind er und seine Kollegen darüber, dass Menschen in der Apotheke nach einem Heilmittel für Hals- oder Magenschmerzen fragen und dann eine Flasche voller Kügelchen erhielten. Die Chance, dass der Betroffene null Wirkung spüre, sei hoch. Denn es gehe eben nicht darum, nur ein Symptom zu behandeln.
Heilpraktiker haben eine medizinische Ausbildung
"Das Klientel, das zu einem Heilpraktiker kommt, sind Menschen mit chronischen Krankheiten, die zuvor von Arzt zu Arzt gelaufen sind und keine Besserung erlebten", erklärt Liebing-Gabel. Oft können Globuli die schulmedizinische Behandlung begleiten. "Wenn ich sehe, dass sich Begleitsymptome einer Krankheit - etwa Schlaflosigkeit bei Bluthochdruck - bessern, kann ich die Medikamente nach und nach, mit regelmäßiger Blutdruckkontrolle, ausschleichen", erklärt Laurentius.
Er selbst ist von Haus aus Arzt. Heilpraktiker haben eine medizinische Ausbildung und werden nach einer Prüfung vor dem Gesundheitsamt zugelassen. Im Idealfall arbeiten sie, insbesondere wenn sie einen homöopathischen Behandlungsschwerpunkt haben, eng mit Ärzten zusammen. Der Patient kommt aber nicht drum herum: Er muss selbst entscheiden, bei wem er Hilfe einholt. (dpa)