Essen. . Wir arbeiten immer länger, müssen zeitlich flexibel sein. Die Belastungen im Arbeitsalltag nehmen zu. Viele Unternehmen erkennen bereits die Zeichen der Zeit und kümmern sich um ein Gesundheitsmanagement. Davon haben Mitarbeiter was, nämlich mehr Wohlbefinden. Und Chefs auch, denn die Zahl der Arbeitsausfälle sinkt.
Vor 120 Jahren erreichte kaum jemand das gesetzliche Rentenalter – heute ist schon jeder vierte Deutsche über 60 Jahre alt, Tendenz steigend. Diese Zahlen (Quelle: Demografieportal der Bundesregierung) machen die Herausforderung klar, vor der kleine Betriebe ebenso wie große Konzerne stehen: Das Lebensalter steigt, die Zahl der Erwerbstätigen sinkt, müssen Menschen länger arbeiten.
Unternehmen übernehmen zunehmend auch Verantwortung dafür, dass ihre Mitarbeiter dies motiviert und gesund tun können. Betriebliches Gesundheitsmanagement bedeutet, neue Strategien einzuschlagen, um ältere Fachkräfte zu halten und mit ihnen richtig umzugehen. Zugleich geht es darum, qualifizierten Nachwuchs zu gewinnen und zu binden. Ein Überblick.
Warum werden Menschen durch ihren Beruf krank?
Die traurige Hitliste der Gründe für Arbeitsunfähigkeit wird laut der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) seit Jahren von Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems und des Atmungssystems angeführt. Dahinter stehen Belastungen wie schweres Heben und Tragen mit Folgen für Muskeln und Skelett, Umgang mit gefährlichen Stoffen und Lärmbelastung. Hinzu kommen flexible neue Beschäftigungsformen, auf die sich die Menschen einstellen müssen.
Experten für Arbeitsschutz und Gesundheit
Die A+A in Düsseldorf ist mit gut 1600 Ausstellern eine wichtige internationale Fachmesse mit einem Kongress für sicheres und gesundes Arbeiten. Vom 5. bis 8. November kann man dort Konzepte und Lösungen kennenlernen. Informationen unter
www.AplusA.de
Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin forscht im Themenfeld Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit. Info unter www.baua.de
Das Institut für Betriebliche Gesundheitsförderung der Krankenkasse AOK in Köln begleitet Unternehmen bei der Entwicklung eines individuell zugeschnittenen Gesundheitsmanagements. Info: www.bgf-institut.de
Das Institut für Arbeitssicherheit, Umweltschutz, Gesundheitsförderung und Effizienz in Krefeld arbeitet seit Jahren mit Unternehmen zusammen. Info:
www.auge-institut.de.
Das Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung ist ein Forschungs- und Prüfinstitut. Info: www.dguv.de/ifa
Dadurch wird oft verlangt, rund um die Uhr erreichbar zu sein, es gibt ständig Veränderungen durch Umstrukturierungen, der Leistungs- und Zeitdruck steigt. „Wir sehen, dass immer mehr Menschen aufgrund dieser psychisch belastenden Bedingungen arbeitsunfähig werden oder früher in Rente gehen“, sagt Dr. Beate Beermann, Fachbereichsleiterin „Grundsatzfragen und Programme“ bei der BAuA. Im Jahr 2011 (letzte Zahlen) verzeichnete die Institution bereits 59,2 Millionen verpasste Arbeitstage aufgrund psychischer Krankheiten.
Was können Arbeitgeber tun?
In vielen Firmen ist gar nicht bekannt, welche Belastungen es an den Arbeitsplätzen gibt – diese Erkenntnis teilen Arbeitsschützer mit Betriebsärzten und Instituten, die sich mit dem Thema „Betriebliches Gesundheitsmanagement“ befassen. Zu letzteren gehört das Institut für Betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) der Krankenkasse AOK. Geschäftsführerin Dr. Julia Schröder sagt: „Einzelne Maßnahmen wie etwa ab und zu ein Rückenschul- oder Entspannungs-Angebot haben keine nachhaltigen Effekte. Es ist wichtig, sich eine Fachberatung ins Haus zu holen, welche die speziellen Probleme innerhalb des Unternehmens analysiert. Dann kann ein individuelles Gesundheitsmanagement entwickelt werden.“
Gibt es Beispiele für Erfolge?
Eine Jury des BGF-Instituts kürt regelmäßig Best-Practice-Beispiele wie etwa den Solinger Rasierklingen-Hersteller Energizer Deutschland-Wilkinson Sword. In diesem Unternehmen wird das Thema Gesundheit ganzheitlich in Arbeitszirkeln, bei Führungskräfte-Fortbildungen, Gesundheitstagen und mit sportlichen Aktivitäten wie Drachenboot-Rennen angegangen.
Sind das Ausnahmen in der Arbeitswelt?
Derzeit lassen sich 6800 Unternehmen im Hinblick auf die Gesundheitsförderung ihrer Mitarbeiter von den Krankenkassen unterstützen. Das zeigt der Präventionsbericht 2012 des Spitzenverbands der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV). Dr. Julia Schröder von der AOK schildert ihre Beobachtungen: „Die Firmen merken mit der Zeit: Die Mitarbeiter fühlen sich ernst genommen, lernen nicht nur ihren Arbeitgeber neu schätzen, sondern bekommen in der Regel auch besseren Kontakt zu den Führungskräften und ein neues Bewusstsein für ihre eigene Gesundheit.“
Kleine Betriebe können es sich aber nicht leisten, oder?
Dass bei Kleinbetrieben, vor allem im Handwerk, besondere Bedingungen herrschen, weiß Professor Dr. Lutz Packebusch vom Institut für Arbeitssicherheit, Umweltschutz, Gesundheitsförderung und Effizienz der Hochschule Niederrhein in Krefeld: „Wenn etwa in einem kleinen Dachdeckerbetrieb zehn Prozent der Beschäftigten erkranken, gerät der Inhaber schnell an Grenzen.“
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Um dies zu verhindern, hat Packebusch in einem Modellprojekt mit Dachdeckern Handlungshilfen entwickelt, mit denen Arbeitsprozesse verändert und verbessert werden. „So können die verantwortlichen Handwerker etwa bei der Vorbesichtigung einer Baustelle feststellen, welche Werkzeuge sie brauchen und eine gute Arbeitsgestaltung vorbereiten“.
Wie teuer ist Gesundheitsmanagement?
Das kommt auf die Strategie an, mit der Unternehmen ihre Angestellten leistungsfähig erhalten wollen. Eine von ihnen nennt sich Employee Assistance Program (EAP). Werner Fürstenberg, der in seinem Institut Gesundheitsmanagement anbietet, spricht lieber von einer externen Mitarbeiterberatung. Er möchte mit einem Team von Experten individuell helfen – bei familiären Schwierigkeiten wie dem Umgang mit pflegebedürftigen Eltern ebenso wie bei finanziellen Problemen.
Rund um die Uhr, auch nachts, sind Berater kostenfrei erreichbar. Die Firmen zahlen dafür je nach Unternehmensgröße zwei bis vier Euro pauschal pro Monat pro Mitarbeiter. Innerhalb einer Woche bekommen Anrufer einen Beratungstermin entsprechend ihres Bedarfs, in Notfällen wird gleich gehandelt. „Nur zehn Prozent müssen wir nachher in eine Behandlung, zum Beispiel eine Psychotherapie weitervermitteln. Den anderen können wir durch Beratung helfen, mit ihrer vorübergehenden Belastung fertig zu werden und so sicherlich auch manches Burn Out verhindern“, sagt Fürstenberg.