Essen/Düsseldorf. Die Betriebe in NRW bilden weniger aus. Ende Juli suchten noch über 39.000 junge Menschen nach einer Lehrstelle. In Zukunft wird sich die Lage auf dem Ausbildungsmarkt durch den demografischen Wandel ändern. Dann können sich Jugendliche den Ausbildungsplatz wohl frei aussuchen.

Endspurt bei der Suche nach dem Ausbildungsplatz. Noch 25.896 freie Lehrstellen wurden der Bundesagentur für Arbeit in NRW Ende Juli gemeldet. Dem gegenüber standen über 39.000 junge Menschen, die noch keinen Ausbildungsvertrag unterschrieben haben - und es könnten noch mehr werden, schätzt Werner Marquis, Sprecher der Bundesagentur für Arbeit in NRW.

Zwar fangen die Ausbildungen traditionell am 1. August an, doch die Entscheidungsprozesse bei Arbeitgebern und vielen Bewerbern hätten sich in diesem Jahr offenbar deutlich nach hinten verschoben. Viele Lehrstellen würden zum 1. September vergeben.

2,6 Prozent weniger Ausbildungsstellen wurden der Agentur für Arbeit gemeldet

Durch die doppelten Abiturjahrgänge suchen besonders viele junge Menschen in diesem Jahr nach einem Ausbildungsplatz. Hinzu kommt, dass die meisten Universitäten bis Mitte August die Zu- und Absagen für die Studienplätze verschicken. Wer dort keine Zusage erhalte, der bemühe sich oft um einen Ausbildungsplatz. Die Agentur könne derzeit nicht abschätzen, wie viele junge Menschen diesen Weg gehen würden, so Marquis.

Insgesamt wurden der Agentur für Arbeit 93.941 Ausbildungsstellen in NRW gemeldet. Das sind 2,6 Prozent weniger als im Vorjahr. Laut den Industrie- und Handelskammern NRW gebe es bei den Lehrverträgen vor allem Rückgänge im Bereich der Metallberufe, um minus 5,68 Prozent. Dies sei unter anderem auf konjunkturelle Probleme bei den KfZ-Zulieferern und in der Stahlbranche zurückzuführen.

2020 gibt es 100.000 mögliche Auszubildende weniger

Man habe an alle Betriebe appelliert auszubilden, erklärt Marquis. So ist die Agentur Partner bei der Aktion "Ausbildung 2013: Nordrhein-Westfalen braucht (mehr) Ausbildungsplätze".

Denn in einigen Jahren werde sich die Lage auf dem Ausbildungsmarkt kolossal verändern, sagt Marquis. 2030 werde es durch den demografischen Wandel in NRW 1,6 Millionen weniger Erwerbstätige geben, besonders die Jugendlichen würden weniger werden. "Junge Leute werden sich einen Ausbildungsplatz aussuchen können", sagt der Agentur-Sprecher.

In diesem Jahr verlassen 260.000 junge Menschen die Schule. 2020 werden es rund 100.000 weniger sein. Schon jetzt würden einige Betriebe die Jugendlichen mit zusätzlichen Angeboten, wie etwa die Übernahme für die Kosten des Führerscheins locken. "Das ist aber nicht die Regel", sagt Marquis.

Auch leistungsschwache Jugendliche sollten eine Chance bekommen

Das bedeute aber auch, dass Jugendliche, die leistungsschwächer sind, mehr von den Betrieben gefördert werden müssten. Große Unternehmen, wie etwa die Telekom, würden ihren Suchprozess dahingehend jetzt schon ändern. "In Zukunft können wir es uns nicht erlauben, jemanden zu 100 Prozent von der Ausbildung auszuschließen, weil er 80 Prozent der Anforderungen erfüllt", sagt Marquis: "Die Leute, die heute nicht ausgebildet werden, werden morgen fehlen."

Dass viele Jugendliche die Anforderungen an eine Ausbildung nicht erfüllen würden, sei ein Vorbehalt, der immer wieder ausgesprochen werde, sagt Marquis. So kritisiert die Handwerkskammer Dortmund, dass die Suche nach geeigneten Kandidaten in technischen Berufen wegen mangelnder Kenntnisse besonders schwierig sei. Laut einer Ausbildungsumfrage der Industrie- und Handelskammer NRW musste fast jeder fünfte Betrieb mangels geeigneter Bewerber im vergangenen Jahr Ausbildungsstellen unbesetzt lassen.

Anforderungen an die Jugendlichen seien viel höher als früher

Marquis gibt zu Bedenken, dass auch die Anforderungen an die jungen Menschen gestiegen seien. Früher habe ein Bäckerlehrling einen Sack Mehl in die Backstube schleppen müssen, heute müsse er sich mit Gär-Prozessen an Automaten auseinandersetzen.

Schulabschluss - und dann?

Carina Bußmann, Kreuzschule Dingden:
Carina Bußmann, Kreuzschule Dingden: "Durch meine Arbeit als Übungshelferin beim SV Brünen im Bereich Leistungsturnen wurde mir klar, wo meine Stärken liegen – nämlich bei der Arbeit mit Kindern. Daher werde ich zwei weitere Jahre zur Schule gehen und im Anschluss eine Ausbildung zur Kinderpflegerin machen." © Johann Ridder WAZ FotoPool
Lasse Fiedler, Heinrich-Meyers-Hauptschule Hamminkeln:
Lasse Fiedler, Heinrich-Meyers-Hauptschule Hamminkeln: "Ich möchte Erzieher in einem Kinderheim werden, weil mir die Arbeit mit Kindern viel Freude bereitet. Dafür gehe ich zum Berufskolleg Wesel, um ein Fachabitur im Bereich Gesundheit und Soziales zu absolvieren und die Erzieher-Ausbildung machen zu können." © Markus Joosten / WAZ FotoPool
Michael Funke, Kreuzschule Dingden:
Michael Funke, Kreuzschule Dingden: "Ich möchte Elektroingenieur werden, dazu muss ich erst einmal eine Ausbildung machen - vom 1. August an - zum Elektroniker für Energie und Gebäudetechnik. Dazu habe ich mir den Betrieb Wellmann in Dingden ausgesucht. Auch mich hat das Praktikum in diese Richtung geleitet." © Johann Ridder WAZ FotoPool
Dilara Gürbüz, Heinrich-Meyers-Hauptschule:
Dilara Gürbüz, Heinrich-Meyers-Hauptschule: "Ich möchte Sozialpädagogin werden, weil ich gerne Menschen helfe und gut zuhören kann. Dazu werde ich zum Berufskolleg Wesel gehen und das Fachabitur in Gesundheit und Soziales absolvieren. Anschließend möchte ich Pädagogik studieren. Ich bin gespannt!" © WAZ FotoPool
Nadia Gatz,  Heinrich-Meyers-Hauptschule:
Nadia Gatz, Heinrich-Meyers-Hauptschule: "Ich besuche nach den Ferien das Berufskolleg Wesel und möchte das Fachabitur im Bereich Sport und Biologie machen. Anschließend möchte ich gerne eine Ausbildung zur Krankenschwester abschließen. Die Vorstellung, mit Menschen zu arbeiten, macht mich einfach glücklich." © Markus Joosten / WAZ FotoPool
Sarah Brincks,  Heinrich-Meyers-Hauptschule:
Sarah Brincks, Heinrich-Meyers-Hauptschule: "Nach einem Praktikum im Krankenhaus stand meine Entscheidung fest: Ich möchte eine Ausbildung zur Arzthelferin machen. Mir gefällt der Umgang mit Menschen. Ich freue mich sehr darüber, nach meiner Ausbildung diesen Menschen helfen zu können." © Markus Joosten / WAZ FotoPool
Nadine Malberg, Kreuzschule Dingden:
Nadine Malberg, Kreuzschule Dingden: "Nach einem Praktikum im Klausenhof stand meine Entscheidung fest: Ich besuche die höhere Handelsschule am Wasserturm, um dann Bürokauffrau zu werden. Bei diesem Beruf gefällt mir die Arbeit mit dem Computer sowie das Sortieren und Strukturieren, beispielsweise von Akten." © Johann Ridder WAZ FotoPool
Tom Marklewitz,  Kreuzschule Dingden:
Tom Marklewitz, Kreuzschule Dingden: "Dank meines Praktikums wusste ich schon früh, welche Ausbildung ich anstreben werde – Fachkraft für Agrarservice beim Huverhof. Das Fahren eines Treckers finde ich toll, besonders aber die Naturverbundenheit und die Arbeit an der frischen Luft. Ich werde nette Kollegen haben!" © Johann Ridder WAZ FotoPool
Mareen Tenbergen, Kreuzschule Dingden:
Mareen Tenbergen, Kreuzschule Dingden: "Ich beginne eine Ausbildung zur Bürokauffrau am Klausenhof, weil ich die Mischung aus Computerarbeit und der Zusammenarbeit mit Kunden schätze. Nach dem Praktikum im Beruf der Außenhandelskauffrau schrieb ich eine Bewerbung für diese Ausbildung und eine für den Beruf der Bürokauffrau. Ich freue mich auf den neuen Lebensabschnitt!" © Johann Ridder WAZ FotoPool
Jenny Reddmann, Heinrich-Meyers-Hauptschule:
Jenny Reddmann, Heinrich-Meyers-Hauptschule: "Mein Ziel ist es Frisörin zu werden, dazu muss ich jedoch erst einmal eine Ausbildung machen. Ich habe bereits sechs Praktika in verschiedenen Frisörbetrieben absolviert und somit einige Erfahrungen gesammelt, die mir hoffentlich bei der Ausbildung weiterhelfen können. Besonders gefällt mir an dem Beruf, dass ich selbstständig arbeiten kann. Ich durfte bereits einer Kundin die Haare färben, das hat mir unendlich viel Spaß gemacht." © Markus Joosten / WAZ FotoPool
Pia Jungmann, Kreuzschule Dingden: „Ich möchte gerne Erzieherin werden, einfach weil mir die Arbeit mit Kindern liegt und sehr viel Freude bereitet. Dazu werde ich jetzt zum Berufskolleg Wesel gehen und das Fachabitur im Bereich Gesundheit und Soziales absolvieren.“
Pia Jungmann, Kreuzschule Dingden: „Ich möchte gerne Erzieherin werden, einfach weil mir die Arbeit mit Kindern liegt und sehr viel Freude bereitet. Dazu werde ich jetzt zum Berufskolleg Wesel gehen und das Fachabitur im Bereich Gesundheit und Soziales absolvieren.“ © Johann Ridder WAZ FotoPool
Mike Brüggink, Kreuzschule Dingden: „Ich möchte ebenfalls Elektroniker für Energie und Gebäudetechnik werden, da auch mein Praktikum in diesem Bereich stattfand. Von zirka zehn Bewerbungen bekam ich zwei Zusagen und ich habe mich schnell für den Betrieb entschieden: Wellmann. Es ist mir besonders wichtig, dass meine Arbeitsstelle im Dorf ist.
Mike Brüggink, Kreuzschule Dingden: „Ich möchte ebenfalls Elektroniker für Energie und Gebäudetechnik werden, da auch mein Praktikum in diesem Bereich stattfand. Von zirka zehn Bewerbungen bekam ich zwei Zusagen und ich habe mich schnell für den Betrieb entschieden: Wellmann. Es ist mir besonders wichtig, dass meine Arbeitsstelle im Dorf ist." © Johann Ridder WAZ FotoPool
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Die regionale Verteilung auf dem Ausbildungsmarkt ist sehr unterschiedlich: Im Rheinland wurden Ende Juli noch 9.654 nicht besetzte Lehrstellen gemeldet. Im Ruhrgebiet waren Ende Juli noch 6.740 Stellen frei und in Südwestfalen 2.140.

Ende Juli gab es noch besonders viele freie Ausbildungsplätze in den Berufen Verkäufer, Kaufmann im Einzelhandel, Fachverkäufer-Lebensmittelhandwerk Bäckerei, Koch oder Friseur.