Essen. Mehr als 2000 Thai-Massage-Studios gibt es mittlerweile in Deutschland. Das Wachstum ist rasant. Schließlich geben die Deutschen im Jahr 80 Milliarden Euro für Wellness aus. Doch bis zu 90 Prozent der Anbieter sollen keine richtige Ausbildung haben - dann drohen sogar gesundheitliche Schäden.

Als die zierliche Frau im orangefarbenen Gewand dem vor ihr liegenden Mann zu Leibe rückt, hat das für das ungeübte Auge etwas von Wrestling. Sie stemmt ihren Fuß gegen die Unterseite seines linken Oberschenkels, während sie mit beiden Händen an seinem Bein zieht, und als er auf dem Bauch liegt, drückt sie seine angezogenen Unterschenkel an den Füßen nach unten - bevor sie ihre Daumen in seinem Oberarm versenkt. Es ist aber keine Kampfsporttechnik, die die 33-Jährige Yuwadee Gartmann da zu sanften Streichklängen vom Player an dem Herrn exerziert.

Sie verabreicht ihm eine Thai Massage - eine Anwendung, über deren Qualität es in Deutschland manche Diskussion gibt. Die Zahl der Thai-Massage-Studios steigt Fachleuten zufolge deutlich. "Mehrmals in der Woche hört man von Neueröffnungen", sagt Peter Beer, Vorstandsmitglied bei der Thai Spa Vereinigung Deutschland e.V. mit Sitz im nordhessischen Knüllwald. Die Organisation setzt sich nach eigenen Angaben für Qualitätsstandards in der Branche ein.

Genaue Zahl der Massagestudios kaum zu ermitteln

Stellenweise fällt eine starke Zunahme der Studios auf. So sind beispielsweise in Kassel derzeit 17 solcher Studios registriert, allein sechs davon wurden 2012 angemeldet. Beers Vereinigung berichtet von Schätzungen, wonach es bundesweit mehr als 2000 Studios gibt. Die genaue Zahl ist kaum zu ermitteln.

Die Vereinigung will die Thai Massage "zu einem anerkannten Teil der Wellness-Landschaft" machen. Dieser Markt ist groß. Nach Schätzung des Deutschen Wellness Verbandes geben die Menschen in Deutschland jährlich 80 Milliarden Euro für Wellness aus.

Urlaub für den Körper

Eine Thaimassage entführt ins Land des lächelnden Buddhas. WAZ-Mitarbeiterin Monique de Cleur hat die Wirkung getestet
Eine Thaimassage entführt ins Land des lächelnden Buddhas. WAZ-Mitarbeiterin Monique de Cleur hat die Wirkung getestet © WAZ FotoPool
Eine Thaimassage entführt ins Land des lächelnden Buddhas. WAZ-Mitarbeiterin Monique de Cleur hat die Wirkung getestet
Eine Thaimassage entführt ins Land des lächelnden Buddhas. WAZ-Mitarbeiterin Monique de Cleur hat die Wirkung getestet © WAZ FotoPool
Eine Thaimassage entführt ins Land des lächelnden Buddhas. WAZ-Mitarbeiterin Monique de Cleur hat die Wirkung getestet
Eine Thaimassage entführt ins Land des lächelnden Buddhas. WAZ-Mitarbeiterin Monique de Cleur hat die Wirkung getestet © WAZ FotoPool
Eine Thaimassage entführt ins Land des lächelnden Buddhas. WAZ-Mitarbeiterin Monique de Cleur hat die Wirkung getestet
Eine Thaimassage entführt ins Land des lächelnden Buddhas. WAZ-Mitarbeiterin Monique de Cleur hat die Wirkung getestet © WAZ FotoPool
Eine Thaimassage entführt ins Land des lächelnden Buddhas. WAZ-Mitarbeiterin Monique de Cleur hat die Wirkung getestet
Eine Thaimassage entführt ins Land des lächelnden Buddhas. WAZ-Mitarbeiterin Monique de Cleur hat die Wirkung getestet © WAZ FotoPool
Eine Thaimassage entführt ins Land des lächelnden Buddhas. WAZ-Mitarbeiterin Monique de Cleur hat die Wirkung getestet
Eine Thaimassage entführt ins Land des lächelnden Buddhas. WAZ-Mitarbeiterin Monique de Cleur hat die Wirkung getestet © WAZ FotoPool
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Gegenwind erhielt die Branche kürzlich durch Berichte von RTL und ZDF über Mängel bei Massagen in Frankfurter Studios. Mitarbeiter der ZDF-Sendung "Wiso" waren bei Tests auf Masseure gestoßen, die Kunden ohne Nachfrage nach Krankheiten behandelten und sich bei vorgespiegelten Bandscheibenproblemen gar an einer verbotenen Manipulation der Lendenwirbelsäule versuchten. Fazit der Sendung, in der auch ein Physiotherapeut zu Wort kam: Mindestens 150 Stunden Ausbildung sollte eine Massage-Kraft schon haben, Qualitätsmerkmal sei eine Ausbildung an der Wat Po Massageschule in Bangkok.

Der Deutsche Wellness Verband äußert sich ebenfalls skeptisch. "Mit Thai Massage möchte man vom anhaltenden Wellness-Boom profitieren, ohne viel Geld investieren zu müssen. Nach unserer Einschätzung beruhen 90 Prozent der Thai-Massagen in Deutschland auf Ausbildungen, die jeder ohne jegliche Vorkenntnisse innerhalb einer Woche absolvieren kann - wenn überhaupt eine Ausbildung vorliegt", teilt der Verband mit.

Masseur braucht etwa 300 Stunden Ausbildung 

Ein Kurs mit 30 bis 40 Stunden reicht auch nach Ansicht der Thai Spa Vereinigung nicht für die Arbeit als Masseur aus. 250 bis 300 Stunden seien eine sehr gute Basis für einen Einstieg, sagt Beer. Die Wat Po Schule bietet etwa zehntägige Tageskurse in verschiedenen Disziplinen an, etwa in traditioneller Thai Massage. Gartmann war nach eigenen Angaben dort, ebenso Nitiya Inturri aus Frankfurt, die den Kurs nicht leicht fand. "Der Lehrer gibt das Papier nicht einfach so."

Beer weist auch darauf hin, dass es bei der Thai Massage nicht um eine medizinische Behandlung geht. "Das dürfen wir nicht", sagt er. Und: "Es gibt Punkte, wo die Thai Massage nicht durchgeführt werden darf." Zum Beispiel bei Verletzungen, manche Regionen sind zudem nahezu tabu, zumindest gilt besondere Vorsicht - etwa für Halsschlagader, Schläfe und Kehlkopf. Anmelden aber kann jeder ein solches Gewerbe.

Und weshalb gibt es so viele neue Studios? Die Vereinigung führt großes Interesse an. Außerdem suchten die in Deutschland lebenden Thailänderinnen irgendwann eine Beschäftigung, sagt Beer. Das Berufsbild der Masseurin sei sehr erstrebenswert, es habe einen hohen Status. Und: "Wenn eine einen Laden aufmacht, ist das ein Impuls für andere, tätig zu werden."

49 Euro für eine Thai-Massage

Vereinsmitglied Yuwadee Gartmann, die seit Oktober ihr Studio im rheinhessischen Oppenheim betreibt, hat an die 30.000 Euro in die Ausstattung des Geschäfts investiert, in dem die Kunden sich auf zwei hinter orangeroten Vorhängen liegenden Matratzen massieren lassen können. Bevor sie ihre Preise gestaltete, hat sie sich nach eigenen Angaben informiert und herausgefunden, dass die Menschen in Oppenheim gut verdienen. Eine einstündige traditionelle Thai Massage kostet bei ihr 49 Euro, die Hot Bamboo-Massage gar 65 Euro. Inzwischen schreibt sie laut Beer schwarze Zahlen.

Nitiya Inturri hat für ihr Studio ihre jahrelange Tätigkeit in einer Kantine aufgegeben. Drei bis fünf Kunden behandelt sie nach eigenen Angaben pro Tag auf den Betten, die ihr Mann Sebastiano gebaut hat. Mit Material für etwa 4000 Euro hat er den Laden hergerichtet, den ein Buddhabild ziert. Vor Jahren hat seine Frau in Bangkok zwei zehntägige Ganztagskurse besucht, aber erst jetzt hat es mit dem Studio geklappt. "Ich habe immer davon geträumt", sagt sie. (dpa)