Düsseldorf/Essen. Die Traditionelle Chinesische Medizin basiert auf einer über 2000 Jahre alten Heilkunde. Zu den „Fünf Säulen“ zählen auch Akupunktur, Atem- und Bewegungsübungen sowie Massage-Techniken. Und manches wird sogar von der Krankenkasse bezahlt. Tipps einer Expertin.

Akupunktur und Kräutertherapie haben eine lange Tradition in China. Die frühesten schriftlichen Zeugnisse fanden sich als Beigabe in einem 168 vor Christus geschlossenen Grab: 15 RezeptVorschläge, die laut dem Institut für Naturheilkunde, Traditionelle Chinesische und Indische Medizin am Klinikum Essen-Mitte von „anspruchsvollem pharmazeutischen Wissen“ zeugen. Inzwischen nehmen immer mehr Schulmediziner hierzulande die Möglichkeiten der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) wahr und eröffnen spezialisierte Praxen. Auch die Anästhesistin Dr. Mechtild von Pfeil ließ sich zur TCM-Expertin weiterbilden. In ihrer Düsseldorfer Praxis behandelt sie häufig Hautkrankheiten wie Neurodermitis oder Akne mithilfe von Kräutern.

Was ist Traditionelle Chinesische Medizin?

Mit „Traditioneller Chinesischer Medizin“ wird eine Heilkunde bezeichnet, die sich seit über 2000 Jahren in China entwickelt hat. Zu ihren „Fünf Säulen“ zählen die Akupunktur, die Kräutertherapie, die Atem- und Bewegungsübungen Qi Gong und Taiji, die Massagetechniken Tuina und Shiatsu sowie die Chinesische Diätetik. „Während bei uns die Akupunktur zu den bekanntesten Therapiemethoden zählt, hat die Kräutertherapie in China einen höheren Stellenwert“, erklärt die TCM-Spezialistin. „Dort wird sie bei etwa 80 Prozent der Behandlungen eingesetzt.“

Warum sind Kräuter so wichtig?

Chinesische Heilkräuter gelten als sehr wirksam und nebenwirkungsarm. Ähnlich wie Lebensmittel unterscheiden sie sich in Geschmack, Temperaturverhalten und Wirkort im Körper. Der wirksame Bestandteil einer Pflanze kann ihre Wurzel sein, ihre Rinde, der Kern oder ihre Blüte. Beim Weihrauchbaum etwa wird das Harz verwendet.

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Von Pfeil: „Dieser Substanz, die schon so manchen Katholiken während der Christmette an den Rand einer Ohnmacht gebracht hat, wird eine stark entzündungshemmende und somit schmerzstillende Wirkung zugeschrieben, etwa bei rheumatoider Arthritis.“

Bei welchen Krankheiten können Kräuter helfen?

Kräuter werden in China bei allen akuten oder chronischen Krankheiten eingesetzt. Weit verbreitet ist die Behandlung von Hauterkrankungen – von Akne über Schuppenflechte, Neurodermitis und Rosazea (rote Pusteln im Gesicht) bis hin zu Vitiligo (Flechte, Weißfleckenkrankheit).

Wie läuft eine Behandlung ab?

Am Anfang jeder Behandlung steht ein ausführliches Gespräch. Bei diesem werden auch Zunge und Puls untersucht. Danach wird für jeden Patienten eine individuelle Rezeptur zusammengestellt, die aus drei bis achtzehn Kräutern besteht. Traditionell nimmt man diese – nach Angaben des TCM-Zentrums am Berliner St. Hedwig-Krankenhaus – zwei bis drei Mal täglich in Form von Tees oder Dekokten (wässriger Extrakt) ein. Das heißt, die gemischten Arzneimittel werden mindestens eine halbe Stunde lang abgekocht oder, um Zeit zu sparen, als Granulat in heißem Wasser aufgelöst. Wie die Mischung wirkt, wird regelmäßig durch den Arzt kontrolliert. Er kann die Zusammensetzung der Heilkräuter dann je nach Heilungsverlauf verändern.

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Von Von Jennifer Rüdinger

Kann man chinesische Kräuter in jeder Apotheke kaufen?

Nein, sie werden in einer spezialisierten Apotheke zusammengestellt, die in der Arbeitsgemeinschaft Deutscher TCM-Apotheken organisiert ist – was hohe Qualitätsansprüche an die verkauften Kräuter bedeutet. Die verkauften Kräuter werden vor der Freigabe in deutschen Laboren durch Sachverständige analysiert und auch zertifiziert.

In Nordrhein-Westfalen ist etwa die Kronen-Apotheke in Wuppertal-Langerfeld auf chinesische Kräuter spezialisiert.

Wer kann die Methoden fachgerecht anwenden?

Die Ausbildung auf dem Gebiet der TCM ist hierzulande nicht einheitlich geregelt. Es gibt einige Gesellschaften, in denen sich Spezialisten zusammengeschlossen haben: In der Deutschen Gesellschaft für Akupunktur (DÄGFA) und der Internationalen Gesellschaft für Chinesische Medizin (SMS), sind überwiegend Ärzte organisiert. Die Arbeitsgemeinschaft für Klassische Akupunktur und Traditionelle Chinesische Medizin (AGTCM) besteht überwiegend aus Heilpraktikern. Bei diesen Gesellschaften können sich Patienten nach seriösen Therapeuten in ihrer Nähe erkundigen.

Was sagt die Schulmedizin zur TCM?

„Das auf Erfahrungswissen aufgebaute System der TCM ist in den Augen vieler Schulmediziner schwer nachvollziehbar, weil sie es gewohnt sind, dass ihre Arbeit durch klinische Studien untermauert wird“, so Anästhesistin Mechtild von Pfeil. Seit fast 20 Jahren befasst sie sich mit TCM und versteht, dass deren Terminologie für das westliche Ohr seltsam klingt. So beschreiben die Chinesen Krankheiten, die durch „Feuchtigkeit“, „Hitze“ oder „Wind“ hervorgerufen werden.

„Die therapeutische Arbeit mit meinen Patienten ermöglichte es mir aber, das erworbene Wissen auf einer tieferen Ebene zu verstehen und in mein eigenes Denken zu integrieren. Ich betrachte es heute als glückliche Fügung, mich in beiden Systemen bewegen zu können und habe das Gefühl, dass einige meiner schulmedizinischen Kollegen diese Meinung teilen.“

Was kostet eine Behandlung?

Die meisten gesetzlichen Krankenkassen übernehmen die Kosten einer Akupunktur bei Rücken- und Knieschmerzen. Zahlt man die Behandlung privat, muss man mit etwa 120 Euro für das Erstgespräch rechnen, mit 45 bis 55 Euro für eine Akupunkturbehandlung und für die erste Erstellung einer Kräuterrezeptur 50 Euro. Häufig übernehmen private Kassen die Kosten für Akupunktur zur Schmerzbehandlung sowie die Kosten für das Erstgespräch.