Dortmund/Unna/Bielefeld. . Es ist ein Milliardengeschäft – aller Verbote zum Trotz. Und der Markt für Onlineglücksspiel wächst. Mit Sorge betrachten Beratungsstellen und Wissenschaftler, das Spielsüchtige immer häufiger ihr Geld an virtuellen Pokertischen und Automaten verzocken.
Es ist in Deutschland ein weitgehend verbotenes Geschäft – und doch wächst der Markt für Internetglücksspiel stetig: Schon jetzt schätzt die Europäische Kommission die europaweiten Jahresgewinne der Branche auf über 8,5 Milliarden, bis 2015 sollen die Einkünfte auf 13 Milliarden steigen.
Das Versprechen vom großen Glück in Mausklick-Weite berge dabei ein hohes Suchtpotential, warnen Experten. „Gerade junge, technik-affine Menschen fragen Online-Glücksspiele nach“, beobachtet Tobias Hayer, Experte für Internetglücksspiel an der Universität Bremen. Wenngleich eine Mehrheit der Zocker im Netz verantwortungsvoll mit dem eigenen Spiel umgehe, geht er davon aus, dass Glücksspielsüchtige ihr Bedürfnis immer häufiger im Netz befriedigen.
„Im Internet gibt es keine Sperrstunde“ – die ständige Verfügbarkeit erhöhe das Suchtrisiko, ebenso wie die fehlende soziale Kontrolle. Je schneller die Spielabläufe, desto eher könnten gefährdete Spieler sich verzocken. Tückisch sei auch die Abrechnung per Kreditkarte: „Beim bargeldlosen Zahlungsverkehr verlieren sie das Gefühl für den echten Geldwert,“ erläutert Hayer.
Vom Spielgeld zum echten Bargeld
Nicht an jedem virtuellen „Pokertisch“ wird um echtes Geld gezockt. Spiele, bei denen Spielgeld gesetzt wird, sind nicht verboten. Häufig werben die Betreiber damit, dass Zocker hier ihr Spiel trainieren können.
Glücksspielexperte Tobias Hayer findet das problematisch: „Wir beobachten, dass die Anbieter mit solchen Spielgeldangeboten, Menschen gezielt für das echte Online-Glücksspiel begeistern wollen.“
„Es gibt eine klare Expansion dieses Marktsegments – trotz aller Verbote“, sagt er weiter. Der Glücksspielstaatsvertrag verbietet nicht nur den Betrieb von Internetseiten, auf denen Spieler mit Bargeld pokern, virtuelle Glücksspielautomaten bedienen oder etwa in Echtzeit auf die nächste rote Karte im Fußballspiel wetten können. Was vielen Nutzern nicht klar ist: Tatsächlich machen sich auch die Spieler selbst strafbar, auch wenn ihr Gesetzesverstoß in aller Regel nicht strafrechtlich verfolgt wird.
Glücksspielangebot im Netz stärker kontrollieren
Einen Mangel an Kontrolle und Regulation beklagt daher die Landesfachstelle für Glücksspielsucht in Bielefeld. Deren Leiterin Ilona Füchtenschnieder fordert, die Anbieter stärker in die Pflicht zu nehmen, sich an ein Mindestmaß an Spielerschutz zu halten. „Was nützt ein faktisches Verbot, wenn die Strukturen für Bekämpfung und Kontrolle fehlen?“, fragt sie.
In rigorosen Verboten sieht Glücksspielexperte Hayer jedoch ebenso wenig eine Option der Suchtvorbeugung, wie in einer völligen Freigabe. Verbote ließen sich schwer durchsetzen. Bei einer Liberalisierung, mit entsprechendem Wettbewerb zwischen den Anbietern, komme der Spielerschutz zu kurz. Ein denkbarer Mittelweg wäre in seinen Augen ein staatliches Online-Glücksspielangebot mit unabhängiger Kontrollinstanz. Denn: „Bei Verdacht auf exzessives Spielverhalten könnte sofort eingeschritten werden.“
Beratungsstellen in NRW betrachten den wachsenden Markt von verbotenem Online-glücksspiel mit Sorge. „Verzockt ein Superreicher den Wert einer Luxusjacht, dann ist das in der Regel nicht so schlimm. Wenn aber ein Student seinen Studienkredit und seine Nebenjobeinkünfte Monat für Monat an Pokertischen im Internet verliert, dann kann das dramatisch sein“, sagt Ilona Füchtenschnieder, Leiterin der Landesfachstelle für Glücksspielsucht in Bielefeld.
Süchtig nach Online-Poker: 250.000 Euro veruntreut
Die Erfahrungen aus den Beratungsstellen bestätigen sie: „Onlineglücksspielsucht ist auf dem Vormarsch.“ Lügen, Verschuldung, Veruntreuung können die fatalen Folgen einer Sucht sein.
So geschehen in Unna, wo sich der Leiter des örtlichen Caritasverbandes vor wenigen Tagen selbst anzeigte, weil er nach eigenen Angaben 250.000 Euro seines Arbeitgebers sowie eines gemeinnützigen Verein aus Kamen veruntreut habe. Er gibt an, „von krankhafter Spielsucht“ getrieben worden zu sein. Dem Vernehmen nach, war es außer Kontrolle geratenes Onlinepokerspiel, das ihn dazu brachte, fremdes Geld zu verspielen.
Glücksspielsüchtige, die ihr Geld im Internet verzocken und bei der Landesfachstelle oder anderen NRW-Beratungsstellen suchten, seien keine Seltenheit mehr, berichtet Füchtenschnieder. Häufig wüssten die Spieler gar nicht, dass ihr Handeln verboten sei.
Betroffenen rät sie daher, meist zunächst Kreditkartenzahlungen zu stornieren. Schließlich verstoße das Angebot des Seitenbetreibers gegen ein gesetzliches Verbot. Damit sei die Forderung nichtig. Kreditkartenfirmen seien dazu verpflichtet, das Geld zurückzuerstatten, sofern eine sechswöchige Frist eingehalten wird. „Auch wenn Anbieter mit Inkasso-Unternehmen drohen, uns sind keine Fälle bekannt, in denen es zu Gerichtsverfahren kam,“ so Füchtenschnieder.