Cambridge. . Kinder erben ihre Gene von ihren Eltern - und sind trotzdem keine reinen Kopien der Elternteile. Um einen genauen Einblick in die Vererbungs-Prozesse zu bekommen, analysierten Forscher einzelne Spermien. So konnten sie sehen, welche genetischen Varianten über die Samenzellen weitergegeben werden.
Zum ersten Mal haben Forscher einzelne Spermien eines Mannes genetisch kartiert. Sie konnten so direkt vergleichen, welche genetischen Varianten ein Mann über seine Samenzellen an Nachkommen weitergibt.
Zwischen den einzelnen Spermien fanden die Wissenschaftler deutliche Differenzen, jede von ihnen war genetisch einzigartig. Aber auch gegenüber den normalen Körperzellen des Mannes habe sich das Erbgut der Samenzellen an durchschnittlich 23 Stellen unterschieden, berichten die Forscher im Fachmagazin "Cell". Diese Funde helfen zu erklären, wie Eltern ihre Eigenschaften an ihre Kinder weitergeben - und warum Kinder keine reinen Kopien ihrer beiden Elternteile sind.
Solche Analysen könnten zukünftig aber auch dazu beitragen, Fruchtbarkeitsprobleme besser zu verstehen und zu behandeln, sagen Jianbin Wang und seine Kollegen von der kalifornischen Stanford University. Denn mit dieser Methode habe man eine Art Frühwarnsystem: Man könne beispielsweise feststellen, ob in den Spermien eines Mannes besonders häufig fehlerhafte Genveränderungen vorkämen, die die Spermien oder den späteren Embryo nicht lebensfähig machten. Die Technologie sei aber auch dazu geeignet, um beispielsweise Körperzellen oder Krebszellen individuell genetisch zu analysieren.
Eine einzigartige Genmischung
Kinder erben ihre Gene von ihren Eltern - das ist seit langem bekannt. Ihr Erbgut ist eine jeweils einzigartige Mischung aus väterlichen und mütterlichen Anteilen. Ursache dafür ist die spezielle Art, auf die Eizelle und Spermien entstehen.
Im Rahmen der sogenannten Reifeteilung erhält jede Keimzelle nur den halben Chromosomensatz einer normalen Körperzelle - 23 Einzelchromosomen statt 23 Paare. Bevor die Paare bei dieser Teilung getrennt werden, tauschen sie aber noch Gene und auch längere DNA-Abschnitte untereinander aus. Dadurch trägt jede Eizelle und jedes Spermium bereits einen vorgemischten Gencocktail des väterlichen oder mütterlichen Erbguts in sich.
"Diese Rekombination erzeugt eine enorme Vielfalt neuer Genmischungen in den Keimzellen - mehr als nur durch die bloße Aufteilung der Chromosomen", erklären die Forscher. Ausmaß und Art dieser genetischen Mischung seien dabei einzigartig für jedes Spermium und jede Eizelle. Wie einzigartig jedes Spermium sei, habe man jetzt erstmals genauer ermittelt.
Erbgut von 91 Spermien verglichen
Für ihre Studie hatten die Forscher 91 Spermien eines gesunden 40-jährigen Mannes analysiert. Sie setzten dafür eine hochmoderne Technologie ein, bei der das Erbgut vollautomatisch aus den einzelnen Spermien isoliert und analysiert wurde. Anschließend verglichen sie das Genom der einzelnen Keimzellen sowohl untereinander als auch mit dem bereits zuvor entschlüsselten Erbgut aus Körperzellen des Mannes.
Wie die Forscher berichten, gab es bei den 91 untersuchten Samenzellen im Durchschnitt 23 Stellen, an denen die Gene anders verteilt waren als im Erbgut der Körperzellen. Bei einigen Spermien seien sehr viel mehr, bei anderen weniger solcher Rekombinationen aufgetreten. Bei zwei Spermien hätten sogar zwei Chromosomen komplett gefehlt.
In jeder der Spermienzellen identifizierten die Forscher zudem zwischen 25 und 36 Mutationen in einzelnen DNA-Bausteinen. Diese Genveränderungen waren nicht vom Vater geerbt, sondern neu in der Spermienzelle entstanden. "Wir haben jetzt erstmals eine individuelle Karte der Rekombinationen und Mutationen für jedes einzelne Spermium einer Person erstellt", sagt Koautor Barry Behr von der Stanford University.
Damit gewinne man einen genaueren Einblick in die grundlegenden Prozesse, die die Vererbung verschiedener Eigenschaften von den Eltern an die Kinder beeinflussen. (dapd)