New York. Amerikanische Forscher wollen die DNA von Hundertjährigen unter die Lupe nehmen und herausfinden, was einem langen Leben förderlich ist. Möglicherweise könnten in dem neuen Projekt genetische Ausprägungen gefunden werden, die gegen Krankheiten schützen oder den Alterungsprozess bremsen.

Vor wenigen Wochen hat George Eberhardt seinen 107. Geburtstag gefeiert. Wie er und viele weitere ähnlich betagte Senioren es geschafft haben, bei guter Gesundheit ein zweites Lebensjahrhundert zu erreichen, beschäftigt nun die Wissenschaft.

Mit den jüngsten Methoden untersuchen die Forscher ihre ältesten Mitmenschen: Sie nehmen die DNA von Eberhardt und Co. unter die Lupe. Das gesamte Genom der Probanden wird sequenziert. Erhofft werden in den Genen dann Hinweise darauf, was einem langen Leben förderlich ist.

Das Ziel: Eines Tages medizinische Hilfe zu entwickeln, länger gesund zu bleiben und ohne schwere Beeinträchtigungen alt zu werden. Es sei wohl kaum möglich, ohne gewisse genetische Vorteile über 105 Jahre alt zu werden, zeigt sich Thomas Perls von der Universität Boston überzeugt. Perls sucht derzeit Teilnehmer für das Projekt, eine Ausschreibung der X Prize Foundation. Die Stiftung, die durch einen Raumfahrts-Wettbewerb von sich reden machte, bietet zehn Millionen Dollar Preisgeld für Forscher, die den kompletten genetischen Code von 100 Menschen über hundert entziffern.

"Wir brauchen 10.000 Genome, nicht 100"

Genauigkeit, Vollständigkeit, Schnelligkeit und Kosten der Sequenzierung entscheiden über den Gewinner. Das Projekt soll allerdings nur ein erster Schritt sein. "Wir brauchen 10.000 Genome, nicht 100, um beginnen zu können, eine Verbindung zwischen genetischer Ausstattung, Krankheit und Wohlbefinden zu verstehen", sagt Genetik-Pionier J. Craig Venter, der beim X-Prize-Wettbewerb mit im Vorstand sitzt.

George Eberhardt , der bis zum Alter von 94 Tennis lehrte und spielte, nimmt an der Untersuchung teil, weil er sich für Wissenschaft und Technologie interessiert. Ob seine Gene Aufschluss bringen, scheint fraglich. Niemand in seiner weiteren Familie wurde 100 und nur wenige erreichten das 90. Lebensjahr, wie er der Nachrichtenagentur AP am Telefon sagt. Warum dann ausgerechnet er so alt wurde? Charmant schreibt Eberhardt sein Wohlergehen der langen Ehe zu. Seit 70 Jahren ist er mit Marie verheiratet. Die wiederum meint, die vielfältigen Interessen hätten ihrem Mann so gut getan.

Ungesunde Lebensweise aufwiegen

Mit solchen Erklärungen kann sich die Wissenschaft natürlich nicht zufriedengeben, der Blick auf die Gene soll daher die Suche beflügeln. Möglicherweise könnten in den neuen Projekten genetische Ausprägungen gefunden werden, die gegen Krankheiten schützen oder den Alterungsprozess allgemein bremsen, erklärt Richard Cawthon von der Universität Utah.

Schützende genetische Ausstattung kann nach Vermutung von Nir Barzilai vom Albert-Einstein-College für Medizin in New York offenbar auch ungesunde Lebensweise teilweise aufwiegen. In seiner Arbeit über Lebensgewohnheiten von Menschen, die schon mindestens ihren 100. Geburtstag feierten, stieß er auf viele Fälle von Übergewicht und Fettleibigkeit. Viele rauchten, wenige trieben Sport oder hielten sich an eine vegetarische Ernährung. Seine älteste Teilnehmerin, die kürzlich unmittelbar vor ihrem 110. Geburtstag starb, hatte 95 Jahre lang geraucht. "Sie hatte Gene, die sie vor ihrer Umgebung schützten", erklärt Barzilai den Widerspruch. Darauf deuten auch Daten aus der Familie hin: Eine Schwester der Frau starb mit 102, ein Bruder ist 105 Jahre alt und leitet noch immer einen Hedge-Fonds.

"Warum bekommen sie keine Krankheiten?"

Das komplette Genom aufzuschlüsseln, sei "das volle Programm", betont der Wissenschaftler Eric Topol, der eine weitere Studie leitet, die die Genome von 1.000 Menschen über 80 untersucht. Die Teilnehmer der Scripps-Wellderly-Studie sind im Durchschnitt 87 Jahre alt, die ältesten haben ihren 108. Geburtstag gefeiert. In ihrer Krankheitsgeschichte traten nie Diabetes, Herzprobleme, Krebs oder ein neurologisches Leiden auf.

"Warum haben diese Menschen quasi einen Teflon-Bezug? Warum bekommen sie keine Krankheiten?" Das sei die Frage, erklärt Topol. "Es wurde zu viel Gewicht auf die Beschwerden selbst gelegt und nicht genug auf Menschen, die außergewöhnlich gesund sind. Jetzt haben wir leistungsfähige Werkzeuge, das nachzuholen."(dapd)