Wunsiedel. Das Bundesinstitut für Risikobewertung hatte bereits 2011 vor der möglichen Gefahr durch Blei in Wildbret gewarnt. Jetzt soll eine Untersuchung des Bayerischen Landesjagdverbandes klären, wie gesundheitsschädlich der Verzehr von Wild, das mit bleihaltigen Patronen geschossen wurde, wirklich ist.
Der Bayerische Landesjagdverband (BJV) nimmt die Munition von Jägern ins Visier: Eine am Freitag in Wunsiedel gestartete Untersuchung soll klären helfen, ob mit herkömmlicher Bleimunition erlegtes Wild die Gesundheit von Verbrauchern gefährdet. Bis zum Ende der diesjährigen Jagdsaison soll in einem Testrevier der Landesjagdschule in Wunsiedel Wild mit bleihaltiger und bleifreier Munition geschossen werden. "Wir werden das Fleisch analysieren und den Bleigehalt vergleichen", erläutert Egbert Urbach. Der Leiter der BJV-Landesjagdschule überwacht den Ablauf.
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hatte im Herbst 2011 "Kindern, Schwangeren und Frauen mit Kinderwunsch" die Empfehlung gegeben, "auf den Verzehr von Wild zu verzichten, welches mit bleihaltigen Patronen geschossen wurde." Die genaue Risikoabschätzung bezeichnet das BfR wegen fehlender Studien als schwierig. Deshalb werde die Bleibelastung verschiedener Wildarten nun grundlegend erforscht. Die Ergebnisse aus Bayern werden nach Urbachs Angaben an das BfR nach Berlin geschickt.
Daten aus unterschiedlichen Versuchsreihen bündeln
Für das Forschungsprojekt "Lebensmittelsicherheit von jagdlich gewonnenem Wildbret" werden dort Daten aus unterschiedlichen Versuchsreihen aus ganz Deutschland gebündelt. Nach Abschluss der Analysen werde darüber entschieden, ob die Verwendung bleihaltiger Munition reguliert werden müsse, heißt es beim BfR. Erhöhte Bleikonzentrationen im menschlichen Körper könnten die Blutbildung, innere Organe sowie das zentrale Nervensystem schädigen.
Der BJV-Jagdschulleiter wäre seinen Worten nach nicht überrascht, wenn im Fleisch der mit Patronen ohne Blei erlegten Wildtiere trotzdem das Schwermetall nachgewiesen werden würde. Er gibt zu bedenken, dass Blei auch über die natürliche Nahrungsaufnahme der Tiere in deren Körper eingelagert werden kann. Für das Forschungsprojekt will das BfR deshalb Proben von Rehen und Wildschweinen aus sechs deutschen Regionen mit unterschiedlichem Bleigehalt des Bodens und somit des Futters einbeziehen.
Jagdmunitionshersteller hat Zweifel am Sinn der Untersuchung
Als einen Projektpartner in Wunsiedel bezeichnet der Bayerische Jagdverband die Firma RUAG Ammotec, einen der weltweit größten Jagdmunitionshersteller mit Sitz im mittelfränkischen Fürth. Dessen Marketingchef Matthias Vogel meldet allerdings Zweifel am Sinn der Untersuchung an: "In Skandinavien essen die Menschen etwa zehnmal so viel Wildbret wie in Deutschland", berichtet er und bezieht sich dabei auf Studien. Erhöhte Blutbleiwerte hätten dort aber nie nachgewiesen werden können.
"Im Gegenteil: Vielverzehrende Jäger haben in Schweden oft sogar geringere Blutbleiwerte als der Durchschnitt der Bevölkerung", sagt Vogel. Die RUAG Ammotec beliefert nach eigenen Angaben einen großen Teil der 340.000 deutschen Jäger mit Munition. Patronen aus Kupfer oder Zink werden auf dem 60 Hektar großen Firmenareal seit Jahren gefertigt. "Die Mehrzahl dieser bleifreien Jagdpatronen eignet sich bis auf eine Entfernung von maximal 130 Metern", sagt Gerhard Gruber, Leiter des Technischen Service.
Auswirkungen bleifreier Jagdmunition werden untersucht
Für durchschnittliche Jagdsituationen sei das ausreichend. Jäger würden aber häufig aus bis zu 300 Metern auf ein Tier zielen müssen. Die Wirkung des um 21 Prozent leichteren und spröderen Kupfers könne mit traditionellen Jagdgeschossen nicht mithalten. Das Tier werde möglicherweise nicht sofort getötet und müsse unter Umständen qualvoll sterben.
Der Landesjagdverband will deshalb einen Schritt weiter gehen: In einem zweiten, parallel laufenden Projekt sollen die Auswirkungen bleifreier Jagdmunition untersucht werden. "Die Verwendung von Kupfer als Alternativmunition birgt auch andere Risiken, da Kupfer als Ersatz für Blei hoch toxisch reagieren kann", sagt BJV-Präsident Jürgen Vocke. Diese zusätzlichen Untersuchungen seien bundesweit bislang einmalig. Vocke betont, er lehne bleifreie Geschosse nicht ab. Diese müssten aber tierschutzgerecht töten. (dapd)