Berlin/Neuchâtel. Moritz Freiherr Knigge spricht sich für einen besseren Umgangston in Krankenhäusern und Pflegeheimen aus. Der Nachfahre des “Benimmpaptes“ Adolph Freiherr Knigge vertritt sogar die Auffassung, das durch falschen Umgangston die Genesung der Patienten verzögert würde.
Moritz Freiherr Knigge, Nachfahre des "Benimmpapstes" Adolph Freiherr Knigge hat für einen besseren Umgangston in Krankenhäusern und Pflegeheimen geworben. Auch unter stressigen Bedingungen sollten sich Pfleger in Heimen Zeit für höfliche Gesten nehmen, sagte der 43-Jährige der dapd anlässlich des Hauptstadtkongresses Medizin und Gesundheit in Berlin (13. bis 15. Juni).
In Kliniken hat der falsche Umgangston nach Knigges Auffassung weitreichende Folgen: Patienten, die sich schlecht behandelt fühlen, würden langsamer gesund, sagte er. Der Umgang mit Patienten ist auch Thema einer Diskussion auf dem Hauptstadtkongress.
Freiherr Knigge, fast jeder hat schon einmal mit ruppigen Krankenpflegern oder arroganten Ärzten zu tun gehabt. Warum ist es so schwer, in der Klinik den guten Umgangston zu wahren?
Moritz Freiherr Knigge: Ich denke, das hat damit zu tun, dass in Krankenhäusern zwei Sphären aufeinandertreffen, die völlig unterschiedlich sind. Nehmen wir das Beispiel Bänderriss. Da haben wir auf der einen Seite den Patienten, der krank ist. Nun sind Menschen ohnehin immer egoistisch, aber wenn es ihnen nicht gut geht, drehen sie sich komplett um sich selbst. Auf der anderen Seite stehen die Pfleger und Ärzte. In einer normalen Klinik werden pro Tag vielleicht 20 Bänderrisse operiert. Für die Mitarbeiter ist das nichts Besonderes. Aber für den Patienten, der einen Bänderriss hat und in Zukunft vielleicht auf seinen Sport verzichten muss, ist das wahnsinnig wichtig. In solchen Situationen ist es sehr wichtig, dass Ärzte und Pfleger bei aller Routine dem Betroffenen zeigen: Ich bin bei dir, ich respektiere dich als Mensch.
Was müssen Ärzte, Schwestern und Pfleger in ihrem Verhalten konkret ändern?
Knigge: Ich glaube, es wäre schon viel gewonnen, wenn sie die absoluten Basics des höflichen Umgangs beherzigen würden. "Schönen guten Morgen" zu sagen etwa ist ja in vielen Kliniken leider keine Selbstverständlichkeit. Man muss den Menschen, die im Krankenhaus oder Pflegeheim arbeiten, auch bewusst machen, welche enorme Negativwirkungen es haben kann, wenn kranke Menschen sich schlecht behandelt fühlen. Solche Patienten können sehr anstrengend werden, was die Abläufe massiv behindern kann. Außerdem werden sie weniger schnell gesund.
Immer wieder müssen wir von Vernachlässigungen und Übergriffen in Pflegeheimen lesen. Wieso kommt es überhaupt zu solchen Eskalationen?
Knigge: Das scheint mir eine Kombination aus schlechter Ausbildung, Druck und fehlenden Freiräumen zu sein, auch zeitlich. Aber auch unter solchen Bedingungen gilt der alte Spruch: Der höfliche Mensch hat immer Zeit für eine höfliche Geste. Schon im eigenen Interesse ist es sinnvoll, sich daran zu halten. Alte Menschen etwa wollen oft nur ein bisschen Zuspruch haben. Da reicht meist schon, mit ein paar Worten höflich zu erklären, in welcher Lage man sich befindet, also etwa: "Entschuldigen Sie, ich würde mich jetzt gern noch mit Ihnen unterhalten, aber das kriege ich zeitlich wirklich nicht hin." Die Folge wird sein, dass die Patienten sich wenigstens wahrgenommen fühlen. In der Regel wird man als Pfleger Verständnis ernten und zufriedenere Patienten haben.
Wie soll ich mich eigentlich als Patient verhalten, wenn ich mich schlecht behandelt fühle?
Knigge: Ich denke, dass grundsätzlich alle Beteiligten die Kommunikation positiv beeinflussen können. Wenn ein Pfleger ruppig wird, habe ich immer noch die Möglichkeit, ihn darauf hinzuweisen und zu sagen: "Entschuldigen Sie, ich habe jetzt das Gefühl, dass Sie sehr schroff zu mir sind und das empfinde ich als sehr angreifend, als sehr negativ." Wenn ich diese Ich-Botschaft sende, erreiche ich mehr, als wenn ich den Ärger in mich hineinfresse oder ihn ungefiltert meinen Mitmenschen entgegen schleudere.
Die Umgangskultur im Krankenhaus und Pflegeheim verbessern, geht das überhaupt angesichts des Stresses, der dort vielfach herrscht?
Knigge: Ich glaube, es ist ganz wichtig, das Thema überhaupt erst mal auf die Agenda zu setzen. Dann müssen sich Ärzte, Pfleger und Schwestern klar machen, dass die Art, wie sie miteinander umgehen Auswirkungen auch auf ihre Patienten hat. Der Pfleger, der vom Arzt rundgemacht wird, wird es schwer haben, fünf Minuten später mit einem Lächeln vor seinen Patienten zu treten. Auf der anderen Seite ist wichtig, dass wir die Patienten mündiger machen. Wir müssen ihnen erklären, dass im Krankenhaus eine besondere Situation herrscht. Dass sie nicht alleine sind, sondern dass es noch ein paar mehr Patienten gibt, denen es schlecht geht. Dann lässt sich das erreichen, da bin ich sicher. (dapd)