Neues Verfahren senkt Krebsrisiko bei Stammzellen-Bildung
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Cambridge. Deutsche Forscher haben Hautzellen von Mäusen erstmals direkt in Nervenstammzellen umgewandelt. Das Besondere: Sie konnten damit eine Zwischenstufe umgehen, aus der Tumorzellen entstehen können. Nun soll überprüft werden, ob das Verfahren auch mit menschlichen Zellen funktioniert.
Deutsche Forscher haben Hautzellen von Mäusen erstmals direkt in Nervenstammzellen umgewandelt. Sie umgingen damit eine bisher nötige Zwischenstufe, aus der Tumorzellen entstehen können. "Die Regeneration bestimmter Gewebetypen kann mit unserem Verfahren deutlich zielgerichteter und sicherer werden", sagt Studienleiter Hans Schöler vom Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin in Münster. Aus den Nervenstammzellen ließen sich beliebig viele Nervenzellen und andere Gehirnzellen bilden. Das eröffne langfristig neue Möglichkeiten für die medizinische Anwendung, berichten die Wissenschaftler im Fachblatt "Cell Stem Cell".
Zwar sei es bereits möglich, Körperzellen zu erwachsenen Nervenzellen umzuprogrammieren, dabei entstehe aus der Körperzelle jedoch zunächst eine sogenannte pluripotente Stammzelle. Diese könne sich noch zu jedem Gewebetyp des Körpers weiterentwickeln. "Pluripotente Stammzellen sind aber so entwicklungsfähig, dass sie sich auch in Krebszellen verwandeln können", sagt Schöler. "Anstatt ein Gewebe zu regenerieren, verursachen sie unter Umständen einen Tumor." Den Umweg über diese Zwischenstufe geht die neue Methode der Forscher nicht: Aus einer Hautzelle entsteht direkt eine Nervenstammzelle. "Dadurch könnten die Zellen in einigen Jahren zur Geweberegenerierung bei Krankheiten oder im Alter eingesetzt werden."
Nervenstammzelle kann unbegrenzt Nervenzellen liefern
Ihre neue Methode liefere "eine potenziell unbegrenzte Quelle an Nervenzellen und verwandten Zelltypen", schreiben die Forscher um Erstautor Dong Wook Han. Denn in der Kulturschale entwickelten sich aus diesen Stammzellen entweder erwachsene, funktionstüchtige Nervenzellen oder Hilfszellen wie Astrozyten und Oligodendrozyten, die im Zentralnervensystem ebenfalls wichtige Aufgaben wahrnehmen.
Dasselbe geschah auch, als die Forscher die von ihnen erzeugten Nervenstammzellen in das Gehirn von Mäusen transplantierten. Die Zellen sind demnach multipotent, das heißt, sie können noch bestimmte, genau definierte Gewebetypen bilden. Wenn aus einer Körperzelle direkt eine erwachsene Nervenzelle werde, sei das für die medizinische Anwendung eher ungünstig, heißt es in "Cell Stem Cell". Denn da Nervenzellen sich nicht mehr teilen, bekomme man so nicht auf einfachem Wege genügend viele Nervenzellen, um sie beispielsweise bei klinischen Studien einzusetzen.
Ein zusätzliches Protein gab den Ausschlag
Die Forscher erreichten die Umprogrammierung durch die Zugabe einer Kombination von Wachstumsfaktoren, also Proteinen, die das Wachstum von Zellen im Körper steuern. Den Ausschlag gab dabei ein Wachstumsfaktor namens Brn4, der nach Angaben der Forscher zuvor bei Versuchen dieser Art noch nicht zum Einsatz kam. "Er sorgt dafür, dass eine klare Richtung eingeschlagen wird und aus der Hautzelle eine neuronale Körperstammzelle wird", sagt Schöler.
Anschließend müsse sich die Zelle nur oft genug teilen, um zu vergessen, dass sie einmal eine Hautzelle war. Nach einigen Durchgängen seien die resultierenden Nervenstammzellen von natürlich vorkommenden kaum noch zu unterscheiden. Ihre Versuche haben die Forscher bisher nur an Mäusezellen durchgeführt. In einem nächsten Schritt werde man prüfen, ob das Verfahren auch mit menschlichen Zellen funktioniere, sagt Schöler. "Zudem ist es unerlässlich, das Langzeitverhalten der Körperstammzellen im Detail zu untersuchen und zu klären, ob sie sich auch über größere Zeiträume hinweg stabil verhalten." (dapd)
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