Berlin. Einsamkeit oder Beziehungsstress - gerade an den Feiertagen suchen viele Menschen Hilfe und Beratung. Wenn ihr normalen Anlaufstellen geschlossen sind, bleibt ihnen oft nur das Telefon. Die Telefonseelsorge muss sich in den kommenden Tagen um viele einsame Menschen kümmern.
Die Telefonseelsorge der Kirchen erwartet Weihnachten wieder viele Anrufe. Beraten würden vor allem Menschen, die unter Einsamkeit oder Beziehungsstress litten, sagte der Geschäftsführer der Evangelischen Konferenz für Telefonseelsorge, Bernd Blömeke, in Berlin. Diese Probleme erhielten an den Festtagen eine "neue Brisanz".
Die Seelsorger bemühten sich, die Gespräche nicht zu lang werden zu lassen, um möglichst viele Menschen betreuen zu können, erläuterte Seelsorge-Ausbildungsleiterin, Sonja Müseler. Viele Anrufer hätten niemanden, mit dem sie feiern könnten. Einsamkeit spürten diese Menschen zwar das ganze Jahr über, doch an Weihnachten besonders stark. "Immer mehr Menschen sind schlecht vernetzt", erläuterte zudem der Geschäftsführer der Katholischen Telefonseelsorge, Hans-Gerd Angel. In unserer mobilen und hoch individualisierten Gesellschaft seien Verwandte manchmal auch Weihnachten nicht mehr vor Ort.
Öffentliche Weihnachtsfeiern als Lösung
Wenn die Hilfesysteme nicht wie gewohnt zur Verfügung stünden, riefen generell mehr Menschen an, berichtete Angel. Dies sei der Fall, wenn Feiertage so lägen, dass Einrichtungen mehrere Tage hintereinander nicht erreichbar seien. Wenn sich Hilfebedürftige zur Kommunikation beispielsweise nicht in eine Arztpraxis setzen könnten, dann meldeten sie sich oftmals bei der Seelsorge, ergänzte er.
Einsamen Menschen raten die Seelsorger, sich frühzeitig auf die Festtage vorzubereiten. Kirchen, Gemeinden und Seniorenkreise böten öffentliche Weihnachtsfeiern an, wo sich Menschen einklinken könnten, sagte Blömeke. Die Seelsorger verfügen über eine Liste mit öffentlichen Feiern, um Menschen vermitteln zu können. Außerdem gebe das Weihnachtsfest diesen Menschen nicht das, was sie sich wünschten, sagte Müseler.
Regelmäßiges Training für die Mitarbeiter
Viele Menschen hätten zudem innerhalb der Familie den Wunsch nach "kindlicher Glückseligkeit", der sich nicht erfülle, führte Müseler aus. Sie entwickelten zu Weihnachten ein "diffuses Wohlfühlbedürfnis". Wie sich das Wohlbefinden wieder herstellen lasse, versuchten die Seelsorger am Telefon zu klären. Häufig würden die Mitarbeiter auch mit Aggressionen konfrontiert, sagte die Ausbildungsleiterin. Die plötzliche Nähe in der Familie könne nicht jeder aushalten.
Die Kirchen müssten den Mitarbeitern klar machen, dass sich die Aggression nicht gegen sie richte, sagte Müseler. Eine spezielle Schulung, um auf Konflikte an Weihnachten vorbereitet zu sein, gebe aber es nicht. Die Ehrenamtlichen übten stattdessen regelmäßig Situationen, die auftreten können, sagte Blömeke.
Mehr als zwei Millionen Anrufe im Jahr
Vor Weihnachten startet die Kirche einen Aufruf, wer an den Festtagen als Seelsorger arbeiten möchte. "Viele haben natürlich familiäre Verpflichtungen", sagte Müseler. Die Zeit werde deshalb in viele kleine Schichten eingeteilt.
Die Telefonseelsorge ist ganzjährig rund um die Uhr unter der kostenlosen Nummer 0800-1110111 erreichbar. Für die Seelsorge stehen rund 8.000 ehrenamtliche Mitarbeiter zur Verfügung. Über zwei Millionen Anrufe gehen pro Jahr ein. (dapd)