Brüssel. Müssen Krankenschwestern künftig Abitur machen? Diese Frage wird derzeit diskutiert. Hintergrund ist, dass die EU mit einem “Europäischen Berufsausweis“ den Jobwechsel ins Ausland erleichtern will. In 24 der 27 EU-Ländern brauchen Krankenschwestern zurzeit ein Abitur.
Will eine deutsche Krankenschwester in einem anderen EU-Land arbeiten, muss sie vor allem eins mitbringen: Geduld. Bürokratische Hürden hindern viele EU-Bürger daran, ihren Beruf im Ausland auszuüben. Die Europäische Kommission will das ändern: Mit dem „Europäischen Berufsausweis“, einem elektronischen Zertifikat, will sie es potentiellen Auswanderern leichter machen.
In dem Dokument sollen die Abschlusszeugnisse abgespeichert werden, so dass man im Zielland sicher sein kann, dass diese nicht gefälscht sind. Ebenso soll im „Europäischen Berufsausweis“ erkennbar sein, welche Berufserfahrung der Bewerber hat.
Schnellere Zulassung soll Alltag werden
Ob die neuen Ausweise die Anerkennungsverfahren beschleunigen können, ist noch unklar. „Wir wollen in den parlamentarischen Beratungen sicherstellen, dass es nicht zu überflüssiger Bürokratie in der Praxis kommt. Solche Ausweise müssen einen echten Mehrwert haben für den Binnenmarkt“, sagt Andreas Schwab (CDU), binnenmarktpolitischer Sprecher der christdemokratischen EVP-Fraktion im EU-Parlament.
Innerhalb weniger Wochen sollen die Behörden im Heimatland und im Zielland prüfen, ob die erworbenen Qualifikationen auch für den Job im Ausland ausreichend sind. Ärzte, Krankenschwestern und Hebammen sollen nicht wie bisher drei Monate auf eine Zulassung warten, sondern binnen sechs Wochen ihre Koffer packen dürfen. „Hochqualifizierten Berufsangehörigen wird es erleichtert, dorthin zu gehen, wo es freie Stellen gibt. Das wird sich wachstumsfördernd für die gesamte europäische Wirtschaft auswirken“, sagt EU-Binnenmarkt-Kommissar Michel Barnier.
Ärztemangel ist beunruhigend
Neben der elektronischen Bescheinigung und dem Bürokratieabbau soll auch ein Frühwarnsystem eingeführt werden, das die Mitgliedsländer vor Betrügern warnt. Immer wieder gibt es Fälle, in denen ein Arzt in seinem Heimatland die Approbation verliert – und im Ausland fröhlich weiter praktiziert. Das will Brüssel in Zukunft unbedingt verhindern.
Mit der Überarbeitung der bisherigen Bestimmungen will die Kommission aber nicht nur den Auswanderern entgegen kommen. Auch der demografischen Entwicklung will man entgegensteuern. 16 Millionen Fachkräfte fehlen bis 2020 in der EU, sagt Barnier. Besonders der Ärztemangel in einigen Mitgliedsstaaten, auch in Deutschland, sei beunruhigend. Die neuen Gesetze kommen aber nicht nur Personen zugute, die in der Gesundheitsbranche arbeiten. Auch Handwerkern, Architekten und Fachkräften aus Industrie und Handel soll das qualifizierte Arbeiten im europäischen Ausland erleichtert werden.