Tübingen. Immer wieder gibt es Diskussionen um Tierversuche in Tübingen. Nun bekommt die Debatte auch dank Affenforscherin Jane Goodall neuen Schwung.
Prominentere Unterstützung hätten die Ärzte gegen Tierversuche wohl kaum holen können. Primatenforscherin Jane Goodall (82) hat Tübingen besucht - und ein Ende von Tierversuchen mit Affen gefordert. Gut 25 Jahre lang hat sie das Leben von Schimpansen erforscht. "Tiere haben eine Persönlichkeit, ein Bewusstsein", sagt sie. "Sie fühlen Schmerz wie wir." Sie hat einen Plüschaffen mitgebracht und spricht so liebevoll über die Tiere, als wären es ihre Kinder.
Goodall ist auf Einladung des Vereins gekommen, der seit Jahren ein Ende von umstrittener Hirnforschung mit Affen in Tübingen fordert. Es ist der Auftakt eines kurzen Deutschlandbesuchs. Die Tiere werden in Laboren durch Flüssigkeitsentzug zur Teilnahme an Experimenten motiviert. "Haben wir das Recht, so was mit ihnen zu machen, wo wir wissen, dass sie Schmerz und Angst spüren wie wir?", fragt Goodall am Mittwochabend. Nach ihrem Vortrag applaudieren die gut 700 Zuhörer im ausverkauften Hörsaal der Universität.
Letzte Versuche mit Affen laufen im April 2017 aus
Die Kritik von Tierversuchsgegnern in Tübingen richtet sich gegen das Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik (MPI), wo sich vor etwa drei Jahren ein Rechercheur eingeschleust und heimliche Videoaufnahmen im Tierversuchslabor gemacht hatte. Die Bilder von verletzten, verstörten Tieren, vom groben Umgang mit ihnen schockierten viele Zuschauer bei der Veröffentlichung im September 2014. Nun flammt der Protest wieder auf, der Verein Soko Tierschutz hat am 18. Dezember eine Demonstration in Tübingen angekündigt.
Das MPI hatte im April 2016 nach Protesten durchblicken lassen, dass Hirnforscher Nikos Logothetis künftig nur noch mit Nagetieren forschen wolle. Letzte Versuche mit Affen laufen nach MPI-Angaben im April 2017 aus. "Wir beenden unseren Protest erst, wenn diese Versuche nachweislich gestoppt sind", sagt der Gründer von Soko Tierschutz, Friedrich Mülln.
Abseits der emotional aufgeladenen Proteste wird immer wieder die Frage aufgeworfen, was Tierversuche bringen. "Sie haben für die menschliche Gesundheit keinen Nutzen", sagt Goodall in Tübingen. Die Vorsitzende der Ärzte gegen Tierversuche, Corina Gericke, hält die Forschung für eine "Befriedigung wissenschaftlicher Neugier".
Seit 2014 2,8 Millionen Tiere für wissenschaftliche Zwecke eingesetzt
Tierversuche sind seit langem umstritten. Nach Angaben des Bundesagrarministeriums wurden nach jüngsten Zahlen aus 2014 rund 2,8 Millionen Tiere für wissenschaftliche Zwecke eingesetzt. Die Zwecke, zu denen Tierversuche durchgeführt werden können, sind im Tierschutzgesetz definiert. Das sind etwa die Grundlagenforschung und Forschungen zur Vorbeugung von Krankheiten, aber auch zur Entwicklung, Herstellung und Prüfung von Arznei-, Lebens- und Futtermitteln.
Die Universität sowie weitere Institute, die in Tübingen mit Primaten forschen, versuchen mit Öffentlichkeitsarbeit ihre Argumente ins Spiel zu bringen. Die Institute sind zurückhaltend, wollen nicht als nächste ins Visier der Tierschützer geraten. In einer gemeinsamen Broschüre führen sie Forschungserfolge auf, die durch Tierversuche möglich geworden seien - etwa die Entwicklung von Impfstoffen gegen Hirnhautentzündung und Gebärmutterhalskrebs.
Die Uni verweist zudem auf ihre "Tübinger Prinzipien für Tierwohl und Tierversuche". Darin heißt es zum Beispiel: "Wir halten das Stresslevel der Tiere während des Versuchs so niedrig wie möglich." Der Sprecher der Universität sagt: "Das ist das, was wir von unseren Wissenschaftlern erwarten, wenn sie Tierversuche machen." Zudem gebe es Kontrollen von Tierschützbeauftragten und Behörden in den Laboren. (dpa)