Brüssel. .

Die Zone ist kinderlos, normalerweise. Nicht an diesem Wintermorgen. Nie zuvor sahen sich sichtlich überforderte Sicherheitsleute des EU-Parlaments mit mehr Schülern konfrontiert als an diesem Tag. Ausnahmezustand in Europas Volksvertretung. Doch wer löst im belgischen Brüssel eine solche Euphorie aus – ein Popstar, eine Schauspielerin, ein Fußballprofi? Nichts dergleichen.

Es war Dr. Jane Goodall, Verhaltensforscherin, Um-weltaktivistin, Friedensbotschafterin der UNO. Und, ja, auf ihre Weise ist sie auch Schauspielerin. Ihre verfilmte Lebensgeschichte „Jane’s Journey – die Lebensreise der Jane Goodall“, prämiert mit dem Bambi in der Kategorie „Unsere Erde“, fasziniert derzeit in deutschen Kinos. Goodall spielt in der Dokumentation die Hauptrolle. Sich selbst. „Wenn es im Naturschutz Rockstars gäbe, wäre diese Frau Mick Jagger, Bob Dylan, John Lennon und Elvis in einem“, jubelt im Film einer ihrer Bewunderer.

Tatsächlich tourt sie durch die Welt wie Mick Jagger in seinen Jugendjahren. „Ich bin noch immer 300 Tage im Jahr unterwegs, um meine Mission weiterzutragen“, erzählt sie. Und dabei verraten ihre Augen: Sie ist noch immer so leidenschaftlich wie vor 50 Jahren, als sie ihr behütetes Zuhause in London gegen den Dschungel von Tansania eintauschte, um im Gombe Stream Nationalpark das Verhalten von Menschenaffen zu erforschen.

Heute ist Frau Goodall die Altmeisterin auf diesem Gebiet, hat etliche Bücher über Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Schimpansen und Menschen veröffentlicht. Mehr noch: „Als ich Tansania zum ersten Mal verließ, wusste ich, dass ich nach all dem, was die Schimpansen mir gegeben haben, nun etwas tun musste, um ihnen zu helfen.“ Die Umwelt-Aktivistin Jane Goodall war geboren.

Heute ist die Britin eine 76-jährige Dame, die, feingliedrig und silberhaarig, auf den ersten Blick auch als Vorzeige-Oma durchginge – beruhigende Stimme, warmherziges Lächeln. Mit dem kleinen Unterschied, dass die Geschichten, die sie erzählt, ihre eigenen sind. Sie handeln von Schimpansen, von Respekt vor der Natur, von Frieden. Und von ihrer Mission. Der Mission, eine bessere Welt zu hinterlassen.

Warum sie das getan habe, will ein Elfjähriger an diesem Morgen wissen: „Weil es mein Traum war, im Dschungel zu leben und von den Schimpansen zu lernen.“ Aber eben diese Schimpansen – die sie zur Belustigung ihrer Zuhörer vortrefflich imitiert – haben ihr doch anfänglich sicher Angst gemacht, fragt ein anderer. „Menschen machen mir ehrlich gesagt mehr Angst. Menschen führen Krieg und neigen viel mehr zu Gewalt als es Schimpansen tun“, sagt sie mit der Stimme einer Vorleserin.

Goodall spricht nicht nur die Sprache der Schimpansen, sondern auch die der Kinder.

Was sie plädiert ist eindringlich, wenngleich nicht neu: Esst weniger Fleisch! Respektiert die Natur! Lebt in Frieden! Dass sie sich zu allererst an die eigene Nase packt, macht den feinen Unterschied. Mit schlechtem Gewissen erzählt sie, dass sie zu ihren etwa 300 Terminen pro Jahr meist per Flugzeug unterwegs ist. „Ich würde sofort einen fliegenden Teppich benutzen, aber den hat noch niemand für mich erfunden. Aber ich hoffe, dass die Bäume, die ich in meinem Leben gepflanzt habe, das Kohlendioxid der Flugzeuge neutralisieren.“

Naturschutz ist hip – auch bei ganz Jungen

Eine Herzenssache ist ihr noch immer das Projekt „Roots & Shoots“, also Wurzeln und Sprösslinge. Vor fast 20 Jahren gründete es Goodall mit Kindern aus Tansania. Mittlerweile beteiligen sich Menschen in 40 Ländern an dieser Initiative, bei der Kinder eigene kleine Projekte zum Umweltschutz entwickeln. Müde wird Goodall dabei nie: „Solange ich Energie habe, werde ich weiterkämpfen.“

Nach eineinhalb Stunden endet ihr Kampf in Brüssel. Junge, ganz junge Schüler fragen im Anschluss aufgeregt nach gemeinsamen Fotos, nach Autogrammen in ihren Goodall-Büchern. Kinder, deren Eltern teilweise noch nicht geboren waren, als Goodall ihre Mission begann. Naturschutz ist wieder hip, und er trägt das Gesicht einer energischen alten Dame: Jane Goodall.