Essen. Die Volkskrankheit Depressionen raubt schon Kindern und Jugendlichen den Lebensmut. Was können Eltern tun, um ihren Kindern zu helfen? Ein Überblick.

Bei manchen sind es Bauchschmerzen, für die sich keine organische Ursache finden lässt. Andere schlafen schlecht und gehen kaum noch vor die Tür. Sie verlieren das Interesse an ihren Freunden, an Hobbys, an Büchern und Filmen, an der ganzen Welt. Als hätte jemand alle Fäden zerschnitten, durch die sie mit ihrem Alltag verflochten waren. Die Volkskrankheit Depression – sie macht auch vor Kindern und Jugendlichen nicht Halt.

Wo liegen die Ursachen?

Wenn Mediziner darauf eine eindeutige Antwort hätten, wäre die Krankheit vielleicht längst besiegt. Sicher ist: „Bestimmte Kinder sind für eine Depression prädisponiert“, sagt Prof. Johannes Hebebrand vom LVR-Klinikum für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Essen. Ängstliche, schüchterne Kinder sind gefährdeter. Daneben werden viele Faktoren diskutiert: erbliche Ursachen, kritische Ereignisse, die Ernährung, Mangel an Bewegung.

Wie verbreitet ist die Krankheit?

Rein statistisch betrachtet sind Säuglinge nur in Einzelfällen von Depressionen betroffen, Vorschulkinder zu etwa einem Prozent, Schulkinder zu zwei bis drei Prozent. Bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen schließlich liegt die Häufigkeit zwischen 10 und 20 Prozent, wobei Jungen und Mädchen vor der Pubertät etwa gleich oft erkranken – später sind junge Frauen dann doppelt so häufig betroffen wie Männer. Allerdings weist die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (DGKJP) auch darauf hin, dass „in der kinder- und hausärztlichen Praxis“ nur bei bis zu 50 Prozent der betroffenen Kinder und Jugendlichen die depressive Entwicklung überhaupt erkannt würde.

Auch interessant

Was deutet auf Depressionen hin?

Nicht jede Traurigkeit muss gleich in eine Depression umgedeutet werden. „Von einer depressiven Episode sprechen wir, wenn die Symptomatik mindestens zwei Wochen lang durchgängig anhält“, erklärt Johannes Hebebrand. Die Anzeichen sind allerdings vielfältig: Jugendliche Patienten können erschöpft und antriebslos sein, aber auch unruhig und gereizt. Das kann die Abgrenzung zu Aufmerksamkeitsdefizitstörungen erschweren. Kinder machen häufig eine Wesensveränderung durch, werden still und weinerlich. Körperliche Beschwerden können hinzukommen.

E ltern sollten versuchen, herauszufinden, ob ihre Kinder in Worte fassen können, was sie quält. „Es kann ja einen Grund für die Niedergeschlagenheit geben, zum Beispiel einen Trauerfall – dann ist das anders zu beurteilen“, so Hebebrand. „In diesem Fall ist eine depressive Episode für einen bestimmten Zeitraum normal.“ Auch, wenn kein Auslöser zu finden ist, schadet jedenfalls ein lapidares „Stell dich nicht so an“ mehr, als das es nützt.

Was kann man tun?

„Wichtig ist, dass Eltern Hilfe suchen“, so Hebebrand, „das geht in der Regel über den Kinderarzt, der dann weiter verweist“. Denn auch, wenn sich der Zustand des Kindes zeitweise bessert: Das Risiko für eine erneute depressive Episode ist da. „Die Hälfte der betroffenen Jugendlichen hat im weiteren Lebensverlauf wieder mit Depressionen zu kämpfen.“ Eine möglichst frühzeitige Behandlung kann daher im Einzelfall lebensnotwendig sein. Denn bei jugendlichen Patienten treten oft Suizidgedanken auf.

Auch interessant

Allerdings ist die Suche nach einem Therapieplatz nach wie vor kompliziert, wie die Leiterin der Mülheimer Selbsthilfegruppe für Eltern depressiver Kinder berichtet. „Vier bis sechs Monate Wartezeit“ seien keine Seltenheit, sagt Susa, selbst Mutter einer depressiven Tochter. Oft werde man an die Notfallambulanz verwiesen, doch das sei „nicht die Hilfe, die man dann braucht“. Johannes Hebebrand empfiehlt daher, dass ein Therapeut nach dem Erstgespräch mit der Familie in Kontakt bleiben sollte, bis ein Therapieplatz frei ist.

Wie wird die Krankheit behandelt?

Bei Kindern und Jugendlichen werden nur in schweren Fällen Antidepressiva eingesetzt. Denn: „Bei leichten bis mittelschweren Depressionen sind die Effekte von Antidepressiva nicht von einer Placebowirkung zu unterscheiden“, so Johannes Hebebrand. Im Fokus steht die Psychotherapie in Form der Verhaltenstherapie – immer unter Einbeziehung der Eltern. Kinder sollen in der Therapie herausfinden, wie sie sich selbst aus der depressiven Stimmung herausziehen können.

Und wo finden Eltern selbst Hilfe?

Nicht nur für die betroffenen Kinder, auch für Eltern ist die Situation belastend. Denn in vielen Fällen wird die Krankheit zum steten Begleiter und taucht so unvermittelt auf wie sie wieder verschwindet. „Das ist ein ständiges Auf und Ab“, sagt Susa. Hinzu kämen Vorwürfe: die eigenen, weil man fürchte, etwas „falsch gemacht“ zu haben, und die von Freunden, Bekannten: „Hättest du mal damals...“ Das zermürbe zusätzlich. Von den bürokratischen Hürden, dem Kampf mit Behörden, Schulen, Kliniken gar nicht erst zu sprechen. „Man fühlt sich allein gelassen.“ Aus diesem Gefühl heraus gründete Susa die Selbsthilfegruppe. Dort dürfen Eltern sich ihre Hilflosigkeit von der Seele reden. Und so Kraft schöpfen, um den Kindern besser beistehen zu können.

Kontakt zur Selbsthilfegruppe

Die Selbsthilfegruppe für Eltern depressiver Kinder trifft sich an jedem dritten Dienstag im Monat in den Räumen des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Tourainer Ring 4, Mülheim.
Das nächste Treffen findet am 17. März 2015 um 18.30 Uhr statt.
Weitere Informationen unter: (0208) 300 48 14.