Herscheid.

Damit war nicht zu rechnen: In den ersten sieben Monaten dieses Jahres ist Herscheid nicht etwa geschrumpft, sondern leicht gewachsen.

Die aktuellen Zahlen, die Bürgermeister Uwe Schmalenbach beim SPD-Diskussionsabend im Hubertushof präsentierte, sorgten für Verwunderung. Ein Plus von 15 Bürgern ist von Jahresbeginn bis zum 31. Juli zu verzeichnen. Dies sei vor allem auf einen deutlichen Überschuss im Verhältnis von Zu- und Wegzügen zu begründen. Es sei jedoch nicht der Wille der Gemeinde, Bürger aus den Nachbarstädten abzuwerben. "Wir brauchen mehr Geburten", nannte Schmalenbach das einzig probate Mittel, um den Einwohnerrückgang langfristig abzubremsen.

Genau das sei allerdings in der heutigen Zeit schwierig. Die meisten Paare seien darauf angewiesen, dass beide Partner arbeiten gehen. "Wir müssen ein kinderfreundliches Klima schaffen - das haben wir zurzeit nicht", meinte Gerd Haas. Die Politik müsse die Weichen stellen. Die Bundestagsabgeordnete Petra Crone erinnerte daran, dass sich eine Alters-Verschiebung vollzogen habe. Heute sei es keine Seltenheit, dass Mütter erst vergleichsweise spät (ab 30 Jahren aufwärts) Kinder zur Welt bringen. "Darauf müssen wir mit flexibleren Arbeitszeiten in der Familienphase reagieren", meinte Crone.

Miteinander soll im Mittelpunkt stehen

Eine andere Richtung schlug Lotte Hildebrand vor. "Unsere Kinder sollen es einmal besser haben", dies sei früher das Denken gewesen. Aus heutiger Sicht müsse man sich eingestehen, dass dieser Vorsatz nur bedingt umgesetzt werden konnte. Die Seniorin bedauerte, dass viele junge Erwachsene fürchten, sich keinen Nachwuchs leisten zu können. Vermutlich auch aus dem Irrglauben, aus jeder Geburtstagsfeier des Sprösslings ein großes, teures Fest zu machen. Das müsse ja nicht sein, riet Lotte Hildebrand zu mehr Bescheidenheit. Ihr Anliegen sei es, jungen Menschen wieder Mut zu machen: "Wir sollten ihnen nicht immer nur vorrechnen, wie viel ein Kind kostet." Stattdessen sollte man jungen Menschen verdeutlichen, wie schön es ist, Kinder zu bekommen.

Für diese Äußerung erhielt die Herscheiderin allgemeine Zustimmung. Jörg Utermann erinnerte beispielsweise an Werte von früheren Zeiten. Die Familie müsse einen anderen Stellenwert erhalten. Weniger der Kommerz-Gedanke soll im Mittelpunkt stehen, sondern mehr das Miteinander. Die Frage "Was kann mein Kind einmal werden?" dürfe nicht länger oberste Priorität genießen. Denn: Schon in jungen Jahren verspüren Eltern und Nachwuchs einen viel zu großen Leistungsdruck - das sei falsch.

Kindheitserinnerungen trug Gerd Haas vor. Er habe seine Hausaufgaben früher immer am Küchentisch seiner Oma erledigt. Heute müssen die Kinder schon ein eigenes Zimmer mit großem Schreibtisch haben, um gut in der Schule zu sein. "Das Anspruchsdenken hat sich geändert", kritisierte Haas. (dg)