Schwerte. Lange haben die Angeklagten im “Ehrenmord“-Prozess vor dem Landgericht Hagen gemeinschaftlich geschwiegen. Doch nachdem der Bruder des Opfers einen der Onkel am Donnerstag schwer belastet hat, kommt Bewegung in das Verfahren. Die Einheit der Familie scheint zu bröckeln.
In seiner schriftlichen Äußerung am Donnerstag hatte der Bruder der ermordeten Schwerterin erklärt, einer seiner mitangeklagten Onkel habe die tödlichen Schüsse abgegeben. Zudem beschrieb er, wie hin und hergerissen er sich zwischen den Kulturen gefühlt habe. Diese innere seelische Zerrissenheit rechtfertigte eine Untersuchung auf Schuldfähigkeit, wie die Verteidigung des 20-Jährigen am Freitag bekannt gab.
Ihr Mandant werde nun von einem Sachverständigen darauf untersucht, ob er zum Tatzeitpunkt überhaupt schuldfähig war. Auf Fragen will der Angeklagte vorerst nicht antworten, bis das Gutachten da ist. Auch die Verteidigung des Onkels steht jetzt vor der Aufgabe, ihre Verteidigungsstrategie neu zu überdenken. Der Rechtsanwalt des 51-Jährigen, der den Mord laut Aussage seines Neffen begangen haben soll, sagte am Freitag während der Sitzung: "Es gibt Dinge im Hintergrund, die ich jetzt noch nicht sagen kann."
Entscheidung bis zum 2. Oktober
Nach der überraschenden Einlassung des 20-Jährigen "stehen alle Beteiligten vor einer völlig neuen Verfahrenssituation", so die Richterin. Sie hat daher weitere Termine festgesetzt. Der letzte soll am 2. Oktober sein.
Seit dem 15. März 2013 sitzen zwei Onkel, die Mutter und ein Bruder des Opfers auf der Anklagebank. Der Vorwurf: Sie sollen die junge Frau im Sommer 2008 wegen ihres westlichen Lebensstil auf einem "Familientribunal" zum Tode verurteilt haben. Die 20-Jährige wurde auf einem Rastplatz an der A45 mit einem Kopfschuss hingerichtet. Ein Cousin wurde bereits verurteilt.