Essen. Ein verändertes Crashtest-Verfahren in den USA hat Autos von Mercedes und VW verheerende Ergebnisse beschert. Die deutschen Hersteller bezweifeln die Alltagsrelevanz des Tests - wollen aber trotzdem reagieren.
Daimler und weiteren deutschen Automobilherstellern droht ein verheerender Imageschaden auf dem wichtigen US-Markt. In einem in den USA neu eingeführten Crashtest schneiden die Mercedes-C-Klasse, aber auch Mittelklassemodelle von VW und Audi verheerend schlecht ab.
Nach Angaben des versicherungsnahen US-Forschungsinstituts Insurance Institute for Highway Safety (IIHS) soll mit der geänderten Testanordnung simuliert werden, was passiert, wenn ein Auto nur mit einem Teil der Frontpartie bei 64 Stundenkilometern mit einem starren Objekt wie einem Brückenpfeiler oder einem Strommast kollidiert.
Aus deutscher Sicht kommen die Ergebnisse einem Totalschaden gleich. In der neuen, "small overlap" genannten Testdisziplin landen die deutschen Autos, die von US-Kunden bisher für ihre technische Perfektion und hohen Sicherheitsstandards geschätzt wurden, abgeschlagen hinter der Konkurrenz. Die C-Klasse und der Audi A4 erhielten die schlechtmöglichste Bewertung "poor". Der VW Passat CC steht nicht viel besser da. In allen anderen von den Unfallforschern untersuchten Disziplinen wie dem klassischen Front- und Seitenaufpralltest erzielen die deutschen Autos aber Bestnoten.
Auf Anfrage zeigte sich Daimler sensibilisiert für die Testergebnisse, meldete aber zugleich Zweifel an deren Alltagsrelevanz an. "Kollisionen dieser Art ereignen sich in aller Regel selten", teilte der Konzern am Freitag mit. Der gewählte Versuchsaufbau gelte nur im relativ unwahrscheinlichen Fall eines Aufpralls auf statische Hindernisse am Straßenrand. Für den Fall, dass sich zwei entgegenkommenden Autos während der Fahrt in die Quere kämen, zeige sich "ein völlig anderer Verformungsablauf".
"Relativ wenig Relevanz für den Straßenverkehr"
Auch ein Audi-Sprecher verwies darauf, dass das Ergebnis im realen Straßenverkehr "relativ wenig Relevanz" habe. Lediglich vier Prozent aller in Europa untersuchten Unfälle seien nach Erkenntnissen der Unfallforschung dem für den Crashtest gewählten Szenario zuzuordnen. In den USA seien dies dagegen neun Prozent.
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Ungeachtet dessen zeigten sich die betroffenen Hersteller am Freitag um Schadensbegrenzung bemüht. Die konzerneigene "Sicherheitsphilosophie" beruhe "auf der genauen Kenntnis des realen Unfallgeschehens, das seit mehreren Jahrzehnten systematisch untersucht" werde, beeilte sich Daimler zu versichern. "Wir machen weit mehr als Gesetzgeber und Ratings erfordern", ergänzte ein Konzernsprecher.
Dieses Argument lässt der Initiator des Tests nicht gelten. Obwohl fast alle Neuwagen inzwischen durchweg gute Crashtest-Noten erhielten, seien allein in den USA jährlich mehr als 10.000 Verkehrstote durch Frontalaufprall-Unfälle zu beklagen. "Wir sind überzeugt, dass dies der nächste Schritt ist, den Insassenschutz bei Frontalkollisionen zu verbessern", sagte IIHS-Präsident Adrian Lund.
Audi nimmt das Ergebnis "sehr ernst"
Die gewählte Versuchsanordnung sei sehr "speziell" und nicht zwangsläufig am "realen Unfallgeschehen ausgerichtet", betonte auch der für den nordamerikanischen Markt zuständige VW-Sprecher. "Dennoch müssen wir uns damit beschäftigten", fügte er auch mit Blick auf die zu erwartenden Negativschlagzeilen hinzu. Die neuen Erkenntnisse würden in die Entwicklung künftiger Fahrzeuggenerationen einfließen, versicherte er. Ähnlich äußerte sich auch die VW-Tochter Audi. "Das darf man nicht bagatellisieren", sagte ein Sprecher. "Wir nehmen das Ergebnis sehr ernst".
Das erscheint mit Blick auf den Weltmarkt und wegen eines möglichen Ansehens- und Absatzverlusts auch geboten: Die USA sind für die deutschen Autohersteller als Absatzmarkt wichtiger denn je. Seit Monaten vermelden sie dort teils zweistellige Wachstumsraten. Im ersten Halbjahr dieses Jahres haben sie dort nach Angaben des Branchenverbands VDA knapp 440.000 Pkw verkauft. (dapd)