Lünen. . Der selbstständige Unternehmensberater Dr. Roland Giller geht für die FDP als Landtagskandidat ins Rennen. Er ist seit 37 Jahren in der Partei und lebt seit fast zehn Jahren in Brambauer.

Der selbstständige Unternehmensberater Dr. Roland Giller geht für die FDP als Landtagskandidat ins Rennen. Er ist seit 37 Jahren in der Partei und lebt seit fast zehn Jahren in Brambauer.

Herr Giller, Sie sind 70 Jahre alt, könnten eigentlich Ihren Ruhestand genießen, warum tun Sie sich noch einmal einen Wahlkampf an?

Weil es Spaß macht. Nichts ist Spannender als das Leben und die Wirtschaft.

Wie geht man damit um, wenn man eine Außenseiterrolle hat?

Locker, man hat nichts zu verlieren. Ich habe meine Argumente, und das, was ich erreichen kann, ist so manchen zum Nachdenken anzuregen. Ich bin nicht so vermessen zu sagen, dass ich einen Wähler von Rot-Grün umstimme, aber wenn ich den einen oder anderen Nichtwähler dazu bekomme, uns seine Stimme zu geben, ist das schon ein Erfolg.

Womit grenzen Sie sich von den anderen Kandidaten ab?

Ganz klar beim Thema Haushalt. Die rot-grüne Landesregierung will 3,9 Milliarden Euro zusätzlich Schulden machen. Hier muss die Schuldenbremse greifen. Man darf nur das ausgeben, was man verdient. In der schwarz-gelben Regierungszeit wurden 14 000 Stellen in der Bürokratie abgebaut, in den letzten beiden Jahren wieder 2000 neue aufgebaut. Wenn man sparen muss, fehlt mir für solche Entscheidungen das Verständnis.

Muss Lünen auch mehr sparen?

Das sehe ich nicht so. Die Sparmaßnahmen des Mutterpapiers wurden gut umgesetzt, und wenn nicht die gestiegene Kreisumlage und die hohen Sozialabgaben wären, hätten wir jetzt schon fast einen ausgeglichenen Haushalt. Lünen hält schon weitgehend eine gute Haushaltsdisziplin. Es muss im gesunden Maß gespart werden, damit die Zukunft nicht gefährdet ist. Auch die Bürger durch den Bürgerhaushalt mehr zu beteiligen, ist richtig. Die Tatsache, dass bei den Soziallasten der Bund einspringt, wird außerdem für finanzielle Entlastung der Kommunen sorgen.

Warum spielt für Sie der Mittelstand so eine große Rolle?

Es gibt 800 000 kleine und mittlere Betriebe in NRW, sie stellen rund 70 Prozent der Arbeits- und 80 Prozent der Ausbildungsplätze. Sie sind die Basis für das Wirtschaftswachstum. Und das darf man nicht eingrenzen. Die Gefahr ist groß, dass Unternehmen NRW verlassen, wenn das von Rot-Grün geplante Klimaschutzgesetz kommt. Dies soll den CO2-Ausstoß der Unternehmen regeln. Für Unternehmen wie Aurubis, die naturgemäß mehr CO2 ausstoßen, aber durch den Recycling-Prozess auch entsprechend CO2 sparen, wird das zum Nachteil. Die Niederlande oder Niedersachsen sind nahe, und ein Weggang wäre für die Kommunen, auch was die Einnahme von Gewerbesteuer angeht, schmerzhaft. Dabei ist es gerade das Unternehmen Aurubis, das Millionen in den Umweltschutz steckt. Wir leben von der Industrie, sind weder Naturschutz- noch Bäderlandschaft. Wir müssen uns auf die Industrie konzentrieren.

Wie kann man Lünen als Industriestandort fördern?

Es muss dringend die Verkehrsanbindung verbessert werden. Der B54-Ausbau und der Vollanschluss an die A2 sind längst überfällig. Da übe ich klare Kritik an der Landesregierung, die hat mal eben 150 Verkehrsprojekte gestoppt. Das zeigt, dass Rot-Grün zu wenig für die Infrastruktur tut. Wir haben unseren Verkehrsexperten Christof Rasche eingeladen, der uns über den Stand der Dinge informieren soll und welche Möglichkeiten wir haben, die Dinge zu beschleunigen. Auf der anderen Seite darf sich der Staat nicht zu sehr in die Belange der Wirtschaft einmischen. Staatliche Stellen machen privaten Unternehmen zunehmend Konkurrenz, das erschwert die Arbeit. Steuererhöhungen und mehr Bürokratie sind kontraproduktiv.

Braucht Lünen mehr Gewerbeflächen?

Ja, das ist das A und O für eine gut funktionierende Wirtschaft. Der Technologiepark in Brambauer ist ein guter Anfang, Groppenbruch bietet ebenfalls gute Möglichkeiten, auch wenn die Naturschützer dagegen sind. Es gibt in Deutschland kein Gebiet mehr, bei dem es nicht um den Umweltschutz geht. Wir müssen Kompromisse finden. Nur wegen eines Naturparks würde niemand in eine Stadt ziehen. Wir brauchen Arbeitsplätze, benötigen Gewerbe, damit es es den Kommunen gut geht.

Was meinen Sie, wenn Sie sagen, man müsse der Verbotsstruktur entgegenwirken?

Liberal heißt, die Freiheit zur Selbstbestimmung fördern. Schluss mit Plastiktüten-, Glühbirnen-, Billigflug-, Heizpilzverbot. Der Bürger soll in den Grenzen, die die Gesellschaft bestimmt, selbst entscheiden, wie er lebt. Deshalb sind wir auch gegen eine Begrenzung der Ladenöffnungszeit und ein Tempolimit.

Und wie stehen Sie zur Sekundarschule?

Die Sekundarschule ist nichts anderes als eine Einheitsschule. Das Bildungsniveau in der Gesellschaft ist unterschiedlich, auf diese Bedürfnisse muss man eingehen können, damit jeder seine individuellen Fähigkeiten entwickeln kann. Mit einer Sekundarschule ist das nicht möglich. Wir unterstützen den Inklusionsgedanken, Kinder mit körperliche Behinderung sollen natürlich in Regelschulen gehen können. Aber Jugendliche, die auf einer Hauptschule nicht gut aufgehoben sind, sollen eine Förderschule besuchen können. Auch die Hochbegabten müssen gezielter gefördert werden. Sekundarschulen gefährden zudem den Bestand der Gymnasien.

Wie positionieren Sie sich in Sachen Energie?

Wir stehen für die Energiewende, setzen aber nicht allein auf erneuerbare Energien. Wir brauchen eine Grundlast, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, und die muss bezahlbar sein. Photovoltaik hat einen Anteil von 3 Prozent an der Stromproduktion. Sie wird mit 7 Milliarden Euro EEG-Umlage bezuschusst, das ist die Hälfte der gesamten EEG-Umlage.Wir zahlen viel Geld für ineffiziente Energie, die zudem nur 10 Prozent des Jahres zur Verfügung steht. Für die Förderung der Forschung in neue Energiequellen hat die Bundeskanzlerin nur 500 Millionen Euro freigegeben. Das sind Peanuts. Gerade in diesem Bereich liegt die Zukunft. In der Zwischenzeit müssen wir auf effektive Kohlekraftwerke setzen. Als Beispiel: Das Trianel-Kraftwerk wird so viel Strom wie 200 Windkraftanlagen zusammen produzieren, und das das ganze Jahr über, während Windkraft in unseren Breiten nur an 80 Tagen des Jahres Strom produziert.

Welche Rolle spielt die Piratenpartei bei einer zukünftigen Regierungsbildung?

Sie erreichen Nichtwähler, die nun wenigstens als Protestwähler antreten. Die Politik der Piraten ist nicht ausgegoren und einige Programmpunkte sind radikal, aber sie könnten sich wie ein Korrektiv auswirken, wenn sich ihre radikalen Ideen mehr an der Realität orientierten. So eine revolutionäre Truppe braucht man in der etablierten Politik, die auch mit unkonventionellen Ideen daherkommt. Für die FDP sehe ich zuversichtlich der Wahl und dem Sprung über die 5-Prozent-Hürde entgegen. Wir haben gute Argumente, um als liberales freiheitliches Korrektiv zu den anderen Parteien zu wirken. Deutschland und NRW brauchen eine freiheitliche Partei.