Lünen. .
Für die Grünen tritt Benjamin Benke aus Selm als Kandidat für den Wahlkreis Unna II (Lünen-Selm-Werne) an. Der 32-jährige Student schreibt gerade an seiner Magister-Arbeit im Fach „International Development Studies“. Den Grünen beigetreten ist er vor eineinhalb Jahren.
Herr Benke, haben Sie nach rund 18 Monaten bei den Grünen schon eigene politische Schwerpunktthemen gefunden?
Man ist natürlich noch auf der Suche. Ich komme eigentlich aus der Entwicklungspolitik. Das habe ich studiert und das finde ich spannend. Das ist auch mit ein Grund, warum ich zur Politik gekommen bin.
Wird es Ihnen auf Landesebene da nicht schwer fallen, Ansätze zu finden?
Da ist globale Politik ganz nah. Zum Beispiel gibt es einen Gesetzesentwurf, nach dem die Kommunen und Landesbehörden nicht mehr nur das Günstigste anschaffen sollen, sondern das Nachhaltigste. Sie sollen sich informieren, wie und wo Produkte hergestellt worden sind. Das war bisher so nicht der Fall. Das Land ist einer der größten Arbeitgeber, und da muss man mit gutem Vorbild voran gehen und zeigen, dass es geht. Ich denke, dass es am Ende nicht einmal teurer wird.
Eines ihrer Themen ist die direkte Demokratie. Mit dem Bürgerhaushalt, zum Beispiel.
Hier in Lünen hatten die Grünen das Thema immer mit auf der Agenda. Das lag längere Zeit brach, weil keiner genau wusste, wie man das am besten implementieren soll. Da konnte ich helfen, denn das habe ich gelernt. Der Bürgerhaushalt war ein grüner Impuls, am Ende ist dann aber sogar eine interfraktionelle Erklärung dazu abgegeben worden. Das zeigt auch, dass man selbst aus der Opposition Politik machen kann, wenn man konstruktiv zusammenarbeitet. Jetzt ist wichtig, dass Politik, Verwaltung und die Bürger zusammenarbeiten. Der Bürger muss sehen, dass seine Vorschläge ernst genommen und in Entscheidungen eingebracht werden.
Viele sehen mangelnde Mitwirkungsmöglichkeiten als Grund für die zunehmende Politikverdrossenheit.
Es gibt keine Politikverdrossenheit. Es gibt Parteienverdrossenheit, und die trifft tatsächlich auch die Grünen. Zum Teil zu Unrecht, wie ich finde, denn es gibt viele Beteiligungsmöglichkeiten. Grün pflegt das eigentlich, muss das aber auch stärker transparent machen. Dass es keine Politikverdrossenheit gibt, zeigt sich ja gerade hier in Lünen. Die verschiedenen Begehren, z.B. in Sachen Mühlenbachtal, oder die Bürgerinitiativen zeigen, dass man etwas bewegen kann. Die Menschen sind politisch, aber sie müssen Kanäle finden, um sich mitzuteilen. Das muss ausgebaut werden.
Wie lässt sich ein Mehr an Bürgerbeteiligung in die Landespolitik einbringen?
Die Grünen haben sich die Vereinfachung von Bürgerentscheiden, Bürgerbegehren usw. als Ziel ins Programm geschrieben. In Teilen ist das ja schon passiert. Die Stichwahl wurde wieder eingeführt, ebenso Bürgermeisterabwahlen. Das sind alles Dinge, mit denen der Bürger schnelleren Durchgriff zur Politik hat.
Ein grünes Thema ist die Energiewende. Inzwischen wollen ihn alle Parteien, der Unterschied liegt heute im Wie.
Die Energiewende bietet uns viele Chancen, aber auch der ganzen Welt. Wenn wir hier entsprechende Technologien entwickeln, sind das Standortvorteile, aber auch neues Wissen, was man an die Welt weitergeben kann.
Standortvorteil ist eines der Stichwörter, das ich eher von ihrem FDP-Konkurrenten erwartet hätte.
Ich glaube, dass die grüne Wirtschaftspolitik die einzige ist, die noch Hand und Fuß hat. Die Industrie gehört zu Deutschland und gerade zu NRW. Man kann aber nicht an alten Zöpfen festhalten, sondern muss Industrie und Wirtschaft so beeinflussen, dass sie sich nachhaltig entwickeln, innovativ nach vorne gerichtet gute Produkte erstellen und sich gutes, nachhaltiges Know-how schaffen.
Gerade die Industrie kritisiert aber derzeit wieder das Tempo und die Rahmenbedingungen der Energiewende.
Es gibt viele Unternehmen, die sich in diesem Umfeld gut entwickeln, auch in Lünen. Siba, zum Beispiel, die gut von und mit den Entwicklungen im Sektor Erneuerbare Energien leben. Wir haben mit Aurubis und mit Remondis Recyclingbetriebe, die erfolgreich auf das Thema Ressourcenschonung abstellen, wo wir uns deutlich mehr steigern und effizienter werden müssen. Effizienzsteigerung nützt generell auch der Industrie und ist auf dem Weltmarkt ein Vorteil. Das Handwerk profitiert derzeit von den energetischen Sanierungen bei Immobilien. Der grüne Wandel ist ein Wandel, der auch die Wirtschaft stärkt. Und er ist eine Chance für NRW, wo so mancher Industriezweig auf dem absteigenden Ast ist.
Firmen aus dem Photovoltaik-Sektor entwickeln sich gerade aber weniger gut.
Durch die Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes haben sich die Kürzungen der Solarstrom-Vergütung binnen weniger Monate auf 45 Prozent summiert. Natürlich bringt das die deutsche Photovoltaikindustrie nochmal stärker in Bedrängnis, die Rahmenbedingungen wurden so schlagartig geändert, dass es dort keine Planungssicherheit gibt. Ich verstehe gar nicht, warum CDU und FDP, die ja gerne dafür stehen möchten, dass sie Wirtschaftspolitik können, so etwas machen. Diese Vorreiterindustrien boxt man aus Deutschland heraus. Natürlich müssen auch die sich neuen Bedingungen anpassen, aber das hätte man besser begleiten müssen.
Das Land NRW sucht gerade neue Forensik-Standorte. Auch Lünen und Selm sind da mit im Gespräch, bei vielen Bürgern sind diese Pläne alles andere als beliebt. Wie stehen Sie zu dieser Frage?
Eigentlich würde ich sagen, die Informationen, die ich habe, würden nicht reichen, um eine fundierte Meinung zu dem Thema zu haben. Man müsste sich zunächst einmal an anderen Standorten umsehen und in Erfahrung bringen, ob eine Forensik etwas ist, was wirklich problematisch ist, oder ob das nur als problematisch wahrgenommen wird. Aber ich glaube, Lünen kann sich dem Thema nicht prinzipiell verschließen. Wir brauchen neue Forensik-Standorte.
Für die Neuwahlen des Landtages sagen die Prognosen derzeit eine Mehrheit für Rot-Grün voraus. Wird Politik dann wieder einfacher?
Wir hatten nun mal diese Mehrheitsverhältnisse, diese Koalition der Einladung, wie es so schön heißt. Und eigentlich hat es ja funktioniert. Es war doch ein schöner Ansatz, dass nicht nur zwei Parteien ihre Schiene machen konnten, sondern man mehr auf Konsens gehen musste. Es ist mit wechselnden Mehrheiten relativ viel geschafft worden. Ich finde es schade, dass es am Ende so nicht mehr weiterlaufen konnte. Da muss man ganz klar die Schuld bei FDP, CDU und den Linken sehen. Jetzt müssen wir halt wieder solide Mehrheiten finden, und wir Grüne sagen ganz klar: Wir möchten eine solide Mehrheit mit der SPD erreichen.