Berlin/Essen. . Wer im Handwerk arbeitet oder in sozialen Berufen, ist beliebt. Wer jedoch mit Geld jongliert, erntet Skepsis, so eine Umfrage. Wie sich die Finanzkrise auf das Ansehen der Berufe auswirkt.
Im Schatten von Euro-Streit und Finanzkrise verschieben sich die gesellschaftlichen Wertschätzungen. Der Staat und seine Einrichtungen gewinnen an Boden. Berufe wie Feuerwehrmann, Krankenpflegerin, Briefträger oder auch Müllmann legen im Ansehen der Bevölkerung deutlich zu. Es sind Jobs, deren Bezahlung nicht unbedingt top ist: Je nach Arbeitsplatz zwischen 20 000 und 40 000 Euro Jahresbrutto.
Ansehen der Manager um 7 Prozent gesunken
Wer dagegen mit Geld zu tun hat, büßt ein. Das Ansehen der Manager in Deutschland ist sogar um sieben Prozentpunkte gesunken. Weniger als jeder Dritte zeigt vor diesen Jobs noch Respekt. Die Wirtschaftsführer stehen gemeinsam mit Gewerkschaftsfunktionären, Politikern, Telekom-Mitarbeitern, Werbeleuten und Versicherungsvertretern am Ende eine Ansehens-Tabelle von 30 Berufen.
Das Forsa-Institut hat im Auftrag des Deutschen Beamtenbundes jetzt im fünften Jahr nacheinander mehr als 3000 Bundesbürger befragt. 94 Prozent von ihnen äußerten höchstes Ansehen für die Brandschützer: Platz 1.
Wer Kranke und Alte pflegt, liegt mit 90 Prozent Zustimmung auf Platz 2. Müllmänner (Platz 8) und Briefträger (Platz 13) haben am stärksten an Ansehen gewonnen – binnen Jahresfrist um 13 und elf Prozent. Zu den großen Gewinnern in diesem Jahr gehören neben Dachdeckern (Platz 12, plus fünf Prozent), Lehrern (Platz 9, sechs Prozent Zuwachs) auch die Beamten insgesamt (plus sieben Prozent), die aber erst das untere Drittel in der Wertschätzung anführen.
"Lebensberufe" sind heute anerkannter als früher
„Die Finanzkrise bewirkt gewissermaßen einen gesellschaftlichen Wandel“, sagt der Dortmunder Arbeitssoziologe Rüdiger Klatt. Die Lebensberufe, wie er sie nennt, die für Gesundheit und Lebensqualität sorgen, seien anerkannter als früher, ebenso wie Dienstleistungen. Klatt nennt die Fleischerfachverkäuferin, die Friseurin, die Altenpflegerin und die Verkäuferin. Schlecht bezahlte Frauenberufe allesamt, Berufe mit mageren Karrieremöglichkeiten und ungünstigen Arbeitszeiten bis hin zum Schichtdienst.
Beim vom Bundesbildungsministerium unterstützten Projekt „Berufe im Schatten“ untersuchte der Sozialwissenschaftler die Wahrnehmung der Pflegeberufe und der Einzelhandelskaufleute. Das Ergebnis: Die Leistung der Pflegekräfte und Verkäuferinnen werden durchaus anerkannt. Gäbe es Schulnoten, würden etwa Altenpflegerinnen eine „Zwei minus“ bekommen. Das Altenheim als Einrichtung komme allerdings mit einer „Vier“ schlecht weg. Ursache seien die als unsinnig empfundene Alltagsorganisation, die starke Rationalisierungen (Klatt nennt es „die Industrialisierung von Arbeitsplätzen“) und die zum Teil schlechten Arbeitsbedingungen.
Dass bei der jüngsten Umfrage Müllmänner und Dachdecker so gut abschnitten, bestätigt den Soziologen: Offenbar sei den Menschen wichtig, dass der Alltag funktioniere. Wenn der Müllmann dafür sorge oder der Handwerker, dann werde er auch anerkannt.
Der funktionierende Alltag: Daran haben vor allem die Beamten einen großen Anteil. Dementsprechend groß ist die Anerkennung der staatlichen Dienstleistungen. Beamtenbund-Chef Peter Heesen sieht „einen langfristigen Trend einer nachhaltigen Imageverbesserung“ des öffentlichen Dienstes. „Je stärker globale Krisen die Bürger verunsichern, desto mehr Vertrauen setzen sie in die Verlässlichkeit und Qualität staatlicher Dienstleistungen.“
Das ergibt sich auch aus anderen Antworten der Forsa-Umfrage. Die Bundesbürger lehnen weitgehend Privatisierungen ab. Fast alle sagen, dass private Betreiber in den Kernbereichen des Staates, also Polizei, Justiz, Strafvollzug, aber auch in der Finanzverwaltung und in den Schulen nichts zu suchen haben.
Gute Erfahrungen mit Behörden
Die Befragten gaben größtenteils gute Erfahrungen mit Behörden an: Freundlich und qualifiziert seien deren Mitarbeiter, fanden 86 beziehungsweise 84 Prozent. Weitere Attribute, die die meisten Befragten den Beamten zuordneten, waren: „pflichtbewusst“, „verantwortungsbewusst“, „zuverlässig“ und „rechtschaffen“.
Überraschend die große Ausnahme: Die Kultur. Theater und Museen, sagen 54 Prozent, „könnten ebenso gut von Privatfirmen erledigt werden“. Immerhin 49 Prozent sind dieser Meinung auch für den Bereich des Nahverkehrs.
Den stärkeren Staat wollen also viele Deutsche. Halten sie den Staat aber auch für stark genug, sich „gegen die Interessen der international tätigen großen Konzerne durchzusetzen“? Nur 23 Prozent glauben das. Selbst die befragten Angehörigen des öffentlichen Dienstes – rund 1000 der 3000 – schätzen die Durchsetzungsfähigkeit ihres Brötchengebers in diesem Punkt eher schwach ein.