Bochum. . Die GLS Bank bezeichnet sich als erste sozial-ökologische Universalbank der Welt. Mit ihrem Vorstandssprecher Thomas Jorberg sprachen wir über Bürgerproteste gegen die Gier der Banker und sinnlose Finanzgeschäfte.
Immer mehr Menschen gehen auf die Straße, um ihrem Unmut gegen die Macht der Finanzmärkte und Banken Ausdruck zu verleihen. Seinen Ursprung hat der Protest in New York City: Occupy Wall Street! (Besetzt die Wall Street!). WAZ-Redakteur Thomas Schmitt sprach mit Thomas Jorberg über die zunehmende Wut der Bürger, die Gier der Banker und das etwas andere Konzept der Bochumer GLS Bank, deren Vorstandssprecher der 54-Jährige ist.
Herr Jorberg, das Image von Bankern nähert sich im freien Fall dem von Politikern. Geben Sie sich noch gern als Banker zu erkennen?
Thomas Jorberg (lacht): Die Frage kommt öfter. Ja, natürlich gebe ich mich sofort zu erkennen. Banken sind unheimlich wichtig. Wir müssen von dem Zocker-Image wegkommen, damit unser Beruf für junge Leute attraktiv bleibt.
Die Wut der Bürger entlädt sich aktuell in der Occupy-Bewegung. Auch in Bochum protestierten schon Hunderte gegen die Macht der Banken. Wie bewerten Sie das?
Die Bewegung ist relativ neu, man kann das noch nicht richtig einschätzen. Für die Menschen ist es ein Ventil. Ventile öffnen sich, wenn Druck im Kessel ist. Für die Bürger ist es eine Möglichkeit, sich endlich auszudrücken. Wir stehen dem sehr positiv gegenüber und unterstützen das. In unserer Frankfurter Filiale dürfen sich die Protestler Aufwärmen, Kaffee trinken und Duschen.
Eine Forderung der Protestler lautet: Banken müssen stärker reguliert werden.
Das Kerngeschäft - Einlagen von Kunden rein, Kredite raus – ist völlig unproblematisch. Selbst Investmentbanking kann hoch sinnvoll sein, wenn es darum geht, die Realwirtschaft mit Eigenkapital zu versorgen. Aber alle Produkte, die nachweislich nicht der Realwirtschaft dienen und das Potenzial haben ihr zu schaden, müssten verboten werden. Ist es nicht schrecklich, dass es als Erfolg gefeiert wird, wenn man auf die Insolvenz von Staaten wetten kann? Oder wenn mit Weizen spekuliert wird? Ich kann die Empörung auf der Straße gut verstehen. Diese Geschäfte nützen niemandem außer abstrakt Geld mit Geld zu machen.
Wenn es schief geht, bezahlt der Steuerzahler die Zeche. Die WL-Bank in Münster will überschuldeten Städten keine Kredite mehr geben. Würden Sie der Stadt Bochum Geld leihen?
Ja, klar. Die entscheidende Frage wäre: Was wird mit dem Geld gemacht? Eine sinnvolle Finanzierung im kulturellen, ökologischen oder sozialen Bereich würden wir sicher machen.
Essens Kämmerer hat vorgeschlagen, völlig überschuldete Städte auf andere aufzuteilen. Haben Sie eine Idee, wie Städte arbeiten müssten, um wirtschaftlich besser dazustehen?
Das war ein markiger Spruch, zumal Essen keine Stadt ist, die vor Finanzkraft kaum laufen kann, aber ich will nicht schlauer tun als der Kämmerer ist: Es gibt sicher viele Dinge, die hinterfragt werden könnten, zum Beispiel teure Ausschreibungen. Der wichtigste Punkt ist doch, dass die Staatsverschuldung völlig getrennt von der Frage behandelt wird, wo das Geld im Endeffekt herkommt und was die Beteiligten sagen. Wer verliert denn, wenn eine Stadt oder ein Land Pleite geht? Das Geld gehört zum großen Teil institutionellen Anlegern wie Lebensversicherungen oder Pensionsfonds, die letztendlich das Geld der Bürger verwalten. Die Leute wissen daher gar nicht mehr, wohin sie mit ihrem Geld sollen.
Wäre mehr Bürgerbeteiligung daher richtig?
Auf jeden Fall. Man muss aber aufpassen. Das Problem heißt: Mitentscheidung ohne Mitverantwortung. Wenn jeder Stadtteil für sich das Optimale fordert, funktioniert es nicht.
Gut zu funktionieren scheint Ihr Geschäftsmodell. In diesem Jahr feierten Sie Ihren 100 000 Kunden. Pro Monat kommen 2000 hinzu, die Bilanzsumme der GLS Bank hat die Zwei-Milliarden-Euro Grenze deutlich überschritten. Sind Sie ein Profiteur der Finanz- und Bankenkrise?
Profiteur klingt immer etwas negativ. Aber in der Tat: Seit der Finanzmarktkrise hat sich der Zulauf zu unserer Bank nahezu verdoppelt. Wir schütteln uns aber das Wachstum nicht aus den Ärmeln, es steckt viel Arbeit dahinter, besonders für die Mitarbeiter. Offensichtlich aber ist unsere Leistung und die Art, wie wir sie erbringen, gefragt.
Was stört Sie an dem Wort Profiteur?
Wir sind kein Krisengewinnler. Wir sind nicht auf die Krise gesprungen. Unser Angebot gilt im Wesentlichen seit Gründung der Bank 1974. Wir haben seit Jahrzehnten etwas entwickelt, das heute sehr gefragt ist.
Sie werben mit dem Stichwort beispiellose Transparenz für Ihre Geschäftsphilosophie. Was genau heißt das?
Wir sagen unseren Kunden genau, was wir mit ihrem Geld machen. Wir legen die Kreditvergaben und Geldanlagen offen. Und wir machen das alles unter sozialen und ökologischen Kriterien. Wir bieten unseren Kunden einen dreifachen Gewinn: menschlich, zukunftsweisend und ökonomisch. Geld sollte den Menschen dienen, die ökologische Frage ist wichtig für unsere Zukunft und Geld verdienen müssen wir auch.
Wie oft müssen Sie Kredite aus inhaltlichen Gründen ablehnen? Zum Beispiel wenn jemand eine Spielhalle eröffnen wollte?
Das ist selten. Der größte Teil der Kunden kommt auf Empfehlung und kennt unser Geschäftsmodell. Der Filter ist schon sehr klar.
Wäre die Welt besser, wenn alle Banken so arbeiten würden wie Sie?
In Deutschland haben Volksbanken und Sparkassen, die ebenso wie wir im Wesentlichen im originären Bankgeschäft unterwegs sind, einen Marktanteil von 60 Prozent. Das ist eine beispielhafte dezentrale Struktur im Bankenbereich, die für mich gleichzeitig Zukunftsmodell ist.
Das hat bekannterweise bei den Landesbanken aber nicht geklappt.
Das ist völlig richtig. Die Landesbanken haben sich wegentwickelt aus dem Zentralbanksein für die Sparkassen. Sie wurden lange Zeit von den Ländern benutzt, haben dann kein richtiges Geschäftsmodell mehr gehabt und sich überall getummelt. Das hat die bekannten Probleme verursacht. Das spricht für mich aber nicht gegen Sparkassen.
400 Mitarbeiter und zweistelliges Wachstum
Die Bankenkrise, die drohende Insolvenz ganzer Staaten, die Schuldenpolitik der öffentlichen Hand: Viele Menschen haben ihr Vertrauen in Banken und Finanzwelt verloren. Das kurbelt das Geschäft der Öko-Bank für „Geben, Leihen und Schenken“ (GLS) an. 2011 wurde der 100 000. Kunde begrüßt, das Wachstum ist seit Jahren zweistellig (2010: +31,6%). 2200 Kunden gibt es in BO, 20 000 in NRW. Mittlerweile arbeiten 400 Menschen für die GLS, 300 sind vor Ort.