Duisburg. .
Sechs Wochen nach dem Loveparade-Unglück mit 21 Toten und über 500 Verletzten wurde eine Gedenktafel am Ort des tragischen Geschehens enthüllt. Am Sonntag soll der Tunnel wieder für den Verkehr freigegeben werden.
Genau sechs Wochen nach dem tragischen Loveparade-Unglück in Duisburg, bei dem 21 Menschen starben und über 500 verletzt wurden, ist am Samstag die offizielle Trauerzeit zu Ende gegangen. Der Bürgerkreis Gedenken enthüllte eine bronzene Gedenktafel an der Brückenmauer vor dem Rampenzugang mit der Aufschrift: „Duisburg gedenkt der Opfer der Loveparade 24. Juli 2010“.
Die Initiative rief die Bevölkerung auf, Trauergaben zu sammeln und diese in den großen Glaskubus an der Ostseite des Tunnels zu bringen. Etwa 300 Menschen waren gekommen, um zu helfen. Der Bürgerkreis Gedenken stellte eigens dafür Körbe zur Verfügung. Die Mitglieder der Initiative sowie weitere Helferinnen und Helfer aus dem Kreis der Betroffenen übernahmen die Befüllung des Glaskubus.
Trommelschlag als Zeichen der Trauer
Während des ganzen Tages schlug der Künstler Frank Köllgen die Trommel als Zeichen der Trauer und des Gedenkens. Auch Innenminister Ralf Jäger (SPD) war vor Ort. Am Sonntag (5. September) soll die Straße an dem Unglückstunnel, die seit der Katastrophe gesperrt ist, ab 8 Uhr gesäubert werden. Danach wird sie wieder für den Verkehr freigegeben.
„Wenn in Duisburg auch mittelfristig wieder Normalität einkehren wird, so wird das hingegen hier an diesem Ort und der näheren Umgebung so schnell sicher nicht passieren“, sagt Haimo Rudatsch. Der 41-Jährige ist gerade dabei, sämtliche Kerzen, die auf dem Bürgersteig im Tunnel stehen, in eine weiße Kiste zu räumen. Genau wie einige andere ist er am Samstag gekommen, um den Bürgerkreis Gedenken bei den Aufräumarbeiten an der Karl-Lehr-Straße zu unterstützen.
„Das ist kein Wegräumen“
„Ich möchte damit meine persönliche Anteilnahme zum Ausdruck bringen“, sagt Rudatsch. Er wohnt unweit des Unglücksortes entfernt, in Neudorf. Er wollte auch zur Loveparade, zur Abschlusskundgebung. „Wir haben zum Glück erst zu Abend gegessen, wollten danach erst los.“ Dann habe er auch schon Hubschrauber gehört, die schreckliche Nachricht im Fernsehen gesehen. „Ich kenne den Tunnel, weil ich oft hier durchfahre“, erzählt der Duisburger. Als düster und eng habe er ihn immer schon empfunden. Doch als er wenige Tage nach dem Unglück erneut in dem Tunnel steht, bekommen diese Attribute noch mal eine ganz andere Qualität. „Es war sehr bedrückend und ergreifend wegen der enormen Anteilnahme, der Wut und wegen der Masse an Trauergaben.“ Doch eben jene schwinden an diesem Samstag so langsam.
In unzähligen weißen Kisten liegen Kerzen, Bilder, Karten, Stofftiere. Mitglieder des Bürgerkreises, ebenso Betroffene und Angehörige tragen sie zu dem gläsernen Kasten auf der Wiese am östlichen Tunnelausgang. Mehr und mehr füllt sich der Kubus. Fotos der Verstorbenen sind von außen deutlich sichtbar. „Ein Stück weit ist das für mich hier Aufarbeitung“, erklärt Rudatsch. Es sei die aktive Anteilnahme daran, dass die Erinnerung an die Geschehnisse, an die Opfer geordnet aufbewahrt werde. „Das ist kein Wegräumen.“ Auch Karl Janssen, Sprecher des Bürgerkreises Gedenken und Kulturdezernent, spricht von einer „würdevollen und angemessenen Atmosphäre“, die doch viele auch an diesem Tag wieder übermannt.
„Nun gucken wir ständig auf den Kubus“
Eine Frau fährt weinend auf dem Fahrrad durch den Tunnel. Fünf junge Frauen sitzen auf dem Bordstein mit dem Blick zur Rampe, sie schweigen, nehmen sich gegenseitig in den Arm. „Ich habe Glück gehabt, ich bin vorher umgekehrt“, sagt ein Mann, der das alles immer noch nicht fassen kann. Inmitten dieser Szene der Trauer erklingen Trommelschläge, die durch Mark und Bein fahren. „Das ist unfassbar“, sagt Georg Guth aus Gelsenkirchen. Sein 25-jähriger Sohn sei bei der Loveparade gewesen. „Ich wollte mir heute mal ein Bild von der Örtlichkeit machen,“, erzählt er. „Das kann doch nicht wahr sein“, murmelt er, als er auf die Rampe blickt.
Bei den Bewohnern der Wegnerstraße hingegen richtet sich der Blick direkt auf den Glaskubus. „Uns hat bei der Wahl, wo er aufgestellt wird, keiner informiert oder mit einbezogen“, moniert Hans-Josef Vengels. Die Trauerzeit sei jetzt offiziell beendet, jedoch nicht für sie. „Wir wollen das Ganze auch endlich verarbeiten, doch nun gucken wir ständig auf den Kubus, der abends auch noch beleuchtet ist.“ Die Bewohner befürchten nun eine Verlagerung der Trauer, die sie selbst nicht zur Ruhe kommen lasse. Vor Ort suchen sie deshalb das Gespräch mit Innenminister Ralf Jäger (SPD), der zusagt, das Anliegen an die Stadt Duisburg weiterzuleiten.
Anwalt rechnet mit monatelangen Ermittlungen
Während der Loveparade am 24. Juli war an einem überfüllten Zugangstunnel eine Massenpanik ausgebrochen. 21 Menschen starben, mehr als 500 wurden verletzt. Die Ermittlungen dazu, wer die Verantwortung für das Unglück trägt, dauern immer noch an. Der Rechtsanwalt der Loveparade-Opfer, Gerhart Baum, rechnet einem Medienbericht zufolge noch mit monatelangen Ermittlungen bis zur juristisch sauberen Klärung der Schuldfrage. Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU), der nach der Katastrophe stark unter Druck geraten war, lehnt einen Rücktritt ab. (ddp/afp)