Ein vielstimmiges Blöken schlägt dem Besucher der Heidschnucken-Schäferei Senne im Kreis Paderborn entgegen, wenn er den Stall betritt. Zwischen den kraftvollen Rufen der Mutterschafe sind immer wieder ganz zarte, hohe Stimmchen zu vernehmen. Teilweise klingt es tatsächlich wie das Schreien von Kleinkindern. Hunderte von pechschwarzen Lämmern tummeln sich zwischen den Weibchen mit ihrem grau-melierten langen Fell. Wenn sich ein Altschaf hinlegt, kann es vorkommen, dass es sich das Neugeborene auf dem Körper der Mutter bequem macht. Dort ist es ja auch schön kuschelig und warm, und es riecht nach Mama. Für Heidschnucken-Lämmer kann es keinen schöneren Platz auf Erden geben. Schafstall und Heulager wurden von der NRW-Stiftung zur Verfügung gestellt.

Mutterinstinkt

„Seit einigen Wochen ist Lammzeit“, berichtet Schäfermeisterin Renate Regier, die die Heidschnucken in der Senne seit 25 Jahren betreut. Zahlreiche hochtragende Tiere befinden sich bereits im Stall und stehen kurz vor ihrer Entbindung. Der Mutterinstinkt ist dann so stark ausgeprägt, dass es vorkommen kann, dass ein schwangeres Schaf kurzerhand den Nachwuchs der Nachbarin für sich zu adoptieren versucht. Doch hier passt Renate Regier auf, denn wenn das eigene Lamm geboren ist, kann es für das übereifrige Mutterschaf schwierig werden.

Zwillingsgeburt

Soeben hat die erfahrene Schäfermeisterin eine Zwillingsgeburt entdeckt. „Die sind in den letzten Minuten zur Welt gekommen. Eben waren die noch nicht da.“ Tatsächlich ist bei beiden Lämmern sogar noch ein Stück der Nabelschnur zu sehen. „Die trocknet und fällt dann von alleine ab“, weiß die Senne-Schäferin. Die Heidschnucken brauchen auch keine Hebamme. Alles geht fast wie von selbst seinen natürlichen Gang. Nach der Geburt sorgt die Schäferin allerdings dafür, dass Mütter und Kinder sich in Ruhe aneinander gewöhnen können. Ganz behutsam greift sie sich die Neugeborenen und trägt sie vor der Mutter her, die ihr Lamm dabei immer wieder ableckt. Im Rückwärtsgang bewegt sich die Schäferin sehr vorsichtig zu einer der Boxen, in denen der ganz junge Nachwuchs mit seinen Müttern zunächst isoliert wird, bis die beiden sich vom Geruch und von der Stimme her so gut kennen, dass nichts mehr passieren kann. Die Mutter weiß dann genau, welches ihr Lamm ist und wann die Milch fließen muss.

Landschaftspflege

Während die jüngsten Mitglieder der Herde bei ihren Müttern im Stall verweilen, toben die etwas älteren Lämmer bereits auf dem Außengelände herum. Schließlich handelt es sich um eine Wanderschafherde, die sich nach Möglichkeit das ganze Jahr über draußen auf der Heide aufhalten soll. Die wichtigste Aufgabe der Wiederkäuer ist nämlich die Landschaftspflege. Das war der Grund, warum vor 27 Jahren die Arbeitsgruppe Landschaftspflege und Artenschutz der Biologischen Station des Kreises Paderborn auf dem Truppenübungsplatz Senne auf 1200 Hektar Heidefläche eine Heidschnuckenherde angeschafft hat. Die Tiere sorgen dafür, dass die Heide „entkusselt“ wird, wie es Renate Regier nennt. Sie befreien die Landschaft von Kiefern- und Birkenaufwuchs und tragen somit zum Erhalt von seltenen Arten bei, die sich nur im reinen Heidegebiet halten können.

Auf der Heide

Draußen auf der Heide führt Schäfermeister Markus Laabs die Herde, die von zwei Hütehunden bewacht wird. Einige Ziegen befinden sich unter den Heidschnucken. Das sind „Packziegen“, die das Gepäck des Schäfers tragen, zum Beispiel eine Thermoskanne mit Tee oder Kaffee. An diesem Freitagnachmittag ist es ruhig und beschaulich in der Senne. In der Ferne ist der Höhenzug des Teutoburger Waldes zu sehen. „Alltags ist der Geräuschpegel von den Schießübungen der Bundeswehr manchmal erheblich. Aber den Tiere macht der Lärm nichts mehr aus“, versichert Markus Laabs.