Kuala Lumpur. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat ihre Richtlinien für die Behandlung von HIV-Patienten geändert. Sie empfiehlt jetzt, deutlich früher mit der Therapie zu beginnen. Damit könnten bis 2025 drei Millionen Todesfälle und 3,5 Millionen Ansteckungen verhindert werden, teilte die WHO am Sonntag mit.

Nach einer Veränderungen der UN-Richtlinien für die Behandlung von HIV-Infizierten können fast zehn Millionen mehr Betroffene künftig kostenlosen Zugang zu Medikamenten erhalten. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) veränderte am Sonntag ihre Vorgaben, so dass eine Behandlung der HIV-Infektion bereits viel früher beginnen kann.

Patienten sollen nach den neuen Empfehlungen HIV-Medikamente bereits erhalten, wenn die Zahl der T-Helferzellen unter 500 pro Mikroliter (Millionstel Liter) Blut sinkt. Seit 2010 galt 350 als Richtwert. Die Zahl dieser wichtigen Abwehrzellen zeigt an, wie stark oder geschwächt das Immunsystem ist. "Menschen mit HIV früher mit sicheren, bezahlbaren und einfach einzunehmenden Medikamenten zu behandeln, sorgt dafür, dass sie gesünder bleiben", teilte die WHO mit. Eine geringere Zahl der Aidserreger im Blut vermindere auch die Gefahr, die Viren zu übertragen.

"Ärzte ohne Grenzen" fordern 400 Millionen von Deutschland

"Diese Richtlinien bedeuten einen weiteren Sprung nach vorn im Trend zu immer höheren Zielen und immer größeren Erfolgen", sagte die WHO-Generaldirektorin Margaret Chan. Sie äußerte die Hoffnung, dass durch die Behandlung von zusätzlich knapp zehn Millionen Menschen die Immunschwächekrankheit zurückgedrängt werden könnte. Allerdings wird für die Ausweitung des Medikamentenprogramms deutlich mehr Geld nötig werden.

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Da sieht die Organisation "Ärzte ohne Grenzen" reiche Geber in der Pflicht: "Auch Deutschland muss seine Zusagen deutlich erhöhen und mindestens 400 Millionen Euro pro Jahr zum Kampf gegen HIV/Aids, Tuberkulose und Malaria zur Verfügung stellen", forderte sie mit Blick auf den Globalen Fonds zur Bekämpfung dieser Krankheiten.

Folgen früherer Behandlung unklar

Aus Deutschland werden hingegen auch kritische Stimmen laut. "Es ist unklar, welche Folgen ein früherer Behandlungsbeginn hat", sagte Aids-Experte Ulrich Marcus vom Robert Koch-Institut in Berlin. "Man muss eventuell länger mit Nebenwirkungen leben." Dazu können Störungen der Nieren-Funktion, des Knochenstoffwechsels und des Fettstoffwechsels gehören. "Hier geht es darum, HIV in der Bevölkerung zu senken", sagte auch Christoph Stephan vom HIV-Center am Klinikum der Universität Frankfurt. "Dass jemand mit mehr als 500 Helferzellen individuell von einem früheren Beginn der Therapie profitiert, möchte ich bezweifeln."

Die WHO verkündete die neuen Richtlinien zum Auftakt des Kongresses der Internationalen Aids-Gesellschaft (IAS) in der malaysischen Hauptstadt Kuala Lumpur. Nach den Empfehlungen richten sich Gesundheitsdienste in aller Welt. Weltweit leben mehr als 34 Millionen Menschen mit HIV, 69 Prozent davon in Afrika südlich der Sahara. Zur Zeit läuft eine große Studie, die nachweisen soll, ob ein früher Behandlungsbeginn Vorteile für die Patienten bringt. Ergebnisse werden nicht vor 2015 erwartet. (dpa/AFP)