Kairo. Ein ägyptisches Gericht hat den früheren Präsidenten Husni Mubarak wegen der Beihilfe zur Tötung von mehr als 800 Demonstranten zu lebenslanger Haft verurteilt. Tausende Menschen protestierten auf den Straßen gegen die herrschenden Militärs und den Freispruch von Sicherheitsbeamten.

Nach den Urteilen im Prozess gegen Ex-Präsident Husni Mubarak haben in Ägypten tausende Menschen gegen die herrschenden Militärs protestiert. Die Demonstranten in Kairo und anderen Städten des Landes zeigten sich am Samstagabend vor allem erzürnt über den Freispruch von sechs hochrangigen Sicherheitsbeamten.

"Wenn wir keine Gerechtigkeit für unsere Märtyrer bekommen, werden wir wie sie sterben", skandierte laut dem Bericht eines AFP-Korrespondenten die Menge auf dem Tahrir-Platz im Zentrum der Hauptstadt. Auch aus Alexandria und anderen Städten wurden Demonstrationen gemeldet.

Mubarak brach zusammen

Der zu lebenslanger Haft verurteilte ehemalige ägyptische Präsident Husni Mubarak hat auf dem Weg zum Gefängniskrankenhaus offenbar einen Zusammenbruch erlitten. Das ägyptische Staatsfernsehen und die staatliche Nachrichtenagentur berichteten am Samstag, der 84-Jährige habe eine "gesundheitliche Krise" erlitten. Dem staatlichen Internet-Fernsehsender Nile News zufolge hatte Mubarak einen Herzinfarkt. Das konnte jedoch zunächst nicht von unabhängiger Seite bestätigt werden.

Mubarak wird nach dem Urteil aus dem Gerichtssaal gebracht und ins Gefängnis geflogen.
Mubarak wird nach dem Urteil aus dem Gerichtssaal gebracht und ins Gefängnis geflogen. © afp

Zuvor hieß es aus Sicherheitskreisen, Mubarak habe sich unter Tränen gegen seine Einweisung ins Gefängnis gewehrt. Er habe die Beamten angefleht, ihn zurück in das Militärkrankenhaus zu bringen, wo er seit Beginn des Prozesses am 3. August in einer Präsidentensuite untergebracht war. Seine Eskorte habe 30 Minuten gebraucht, um Mubarak schließlich doch dazu zu bewegen, den Hubschrauber, mit dem er zum Gefängnis gebracht worden sei, zu verlassen.

Er bat die Beamten unter Tränen, ihn zurück in das Militärkrankenhaus zu bringen, wo er seit Beginn des Prozesses am 3. August in einer Präsidentensuite untergebracht war. Seine Eskorte brauchte 30 Minuten, um Mubarak schließlich doch dazu zu bringen, den Hubschrauber zu verlassen.

Ein Kairoer Gericht hatte am Samstag nach der Urteilsverkündung angeordnet, Mubarak zur Verbüßung seiner lebenslangen Haftstrafe in das Gefängnis Tora am Kairoer Stadtrand zu bringen. Es hatte Mubarak wegen seiner Rolle bei der Tötung von Hunderten Demonstranten zu lebenslanger Haft verurteilt. Viele hatten die Todesstrafe für ihn gefordert, viele einen Freispruch gefürchtet. Minuten nach der Urteilsverkündung brach ein Handgemenge zwischen Mubarak-Anhängern und -Gegnern im Gerichtssaal und davor aus.

Dabei dürfte Richter Ahmed Rifaat wohl auch deshalb entschieden haben, dass Mubarak den Rest seines Lebens im Gefängnis verbringen muss, um weiter aufkochende Spannungen zwischen beiden Seiten vor der polarisierenden Stichwahl um das Präsidentenamt zu vermeiden. Gegenüber stehen sich dabei der letzte Ministerpräsident unter Mubarak, Ahmed Schafik, und ein Kandidat der Muslimbruderschaft, Mohammed Mursi.

Großes Polizeiaufgebot

Mubarak, der erste arabische Staatschef, der sich in seinem eigenen Land vor Gericht verantworten musste, nahm das Urteil schweigend entgegen. Er lag auf einer Krankentrage hinter Gittern im Gerichtssaal. Seine einst so mächtigen Söhne, Gamal und Alaa, hatten dunkle Augenringe und schienen ihre Nervosität nur schlecht verbergen zu können. Mubaraks Ältester Alaa flüsterte Verse aus dem Koran.

Mubaraks Anwalt Jasser Bahr kündigte an, das Urteil anzufechten. "Dieses Urteil ist voller juristischer Schwächen", sagte er. Die als Nebenkläger auftretenden Anwälte sagten, sie fürchteten, dass Mubarak und al-Adli in einem Berufungsverfahren freigesprochen würden. Beobachter kritisierten einen Mangel an Beweisen für die Polizeigewalt.

Tausende Bereitschaftspolizisten hatten die Polizeiakademie, in der der Prozess stattfand, abgeriegelt, um Demonstranten und Angehörige der Opfer davon abzuhalten, den Gerichtssaal zu stürmen. Hunderte hatten sich zu der Urteilsverkündung, die vom ägyptischen Staatsfernsehen live übertragen wurde, vor dem Gebäude versammelt. Sie schwenkten ägyptische Fahnen und skandierten "Vergeltung". Einige breiteten Plakate mit Mubaraks Antlitz auf dem Asphalt aus und liefen darüber.

Mubarak und seine beiden Söhne wurden von dem Vorwurf der Korruption freigesprochen, doch die Söhne müssen sich zusätzlich noch wegen des Vorwurfs des Insiderhandels verantworten. Der ehemalige Außenminister Habib el Adli wurde wegen seiner Rolle bei den Tötungen von Demonstranten wie Mubarak zu lebenslanger Haft verurteilt. Sechs weitere Beschuldigte wurden freigesprochen.

Richter zur Ära Mubarak: "30 Jahre der Dunkelheit"

Richter Rifaat beschrieb die Ära Mubarak als "30 Jahre der Dunkelheit" und einen "finsteren Albtraum", der erst geendet habe, als das Volk sich gegen Mubarak erhoben habe. Rifaat, der nun in den Ruhestand geht, sagte, Mubarak und el Adli hätten nichts unternommen, um die Tötungen von 850 Demonstranten während der 18-tägigen Massenproteste zu verhindern.

Mubarak wird den Rest seines Lebens in einem Kairoer Gefängnis verbringen. In der Haftanstalt Tora im Süden der Hauptstadt sitzen auch seine beiden Söhne ein. Mubarak war monatelang bis zur Urteilsverkündung in einer Präsidentensuite in einem Krankenhaus am Stadtrand von Kairo behandelt worden. Seine behandelnden Ärzte sagten, er sei schwach und habe Gewicht verloren, weil er sich weigere zu essen. Mubarak leide zudem an einer schweren Depression.

Die am 16. und 17. Juni anstehende Stichwahl um das Präsidentenamt zwischen Schafik und Mursi hat im Vorfeld der Urteilsverkündung die Spannungen zwischen den politischen Gruppen weiter angeheizt. Es ist die Wiederauflage des Machtkampfs zwischen der über Jahrzehnte unter Mubarak verbotenen Muslimbruderschaft und den mächtigen Militärs. Wie sein Mentor Mubarak machte Schafik als Luftwaffenoffizier Karriere. Ein Freispruch für den Expräsidenten hätte nach Ansicht einiger Beobachter aber seine Chancen auf den Präsidentenposten stark schmälern können. (dapd/afp)