Berlin. Bevorzugt die Bundesregierung große Industrieunternehmen vor normalen Bürgern? Einem Medienbericht zufolge hat die Regierung Strom-Großkunden um Milliardensummen entlastet - auf Kosten von Kleinverbrauchern. Privathaushalte müssten deshalb wohl drei Prozent mehr zahlen.

Die Bundesregierung hat Industrieunternehmen und andere Strom-Sonderkunden einem Zeitungsbericht zufolge um eine Milliardensumme entlastet und die Kosten dafür den Kleinverbrauchern aufgebürdet. Unternehmen, die ohne große Verbrauchsschwankungen mehr als zehn Gigawattstunden Strom pro Jahr benötigen, sollen von den Gebühren für die Stromnetze ausgenommen werden, berichtete die "Frankfurter Rundschau" am Montag. Die Kosten würden aber nicht gleichmäßig auf alle Verbraucher umgelegt: Wer mehr als 100.000 Kilowattstunden Strom pro Jahr verbrauche, müsse den Bonus für die Industrie nur zu einem kleinen Teil mitfinanzieren. Den Großteil trügen kleine Betriebe und Privatkunden.

Privathaushalte würden so im kommenden Jahr mehr als drei Prozent mehr für ihre Stromrechnung bezahlen - für einen Drei-Personen-Haushalt mit einem Verbrauch von 3500 Kilowattstunden bedeute dies eine Erhöhung um mehr als 26 Euro, errechnete die Zeitung auf Basis von Berechnungen der Stromnetzbetreiber. Die Industrieunternehmen und Strom-Sonderkunden dagegen würden um insgesamt 1,1 Milliarden Euro entlastet, berichtete die Zeitung unter Berufung auf eine Schätzung der Bundesnetzagentur.

Energieexperte spricht von "einmaliger Schweinerei"

Der Energieexperte des Bundesverbandes Verbraucherzentralen, Holger Krawinkel, sprach von einer "einmaligen Schweinerei". "Die Industrie massiv zu entlasten und allein die Kleinverbraucher die Zeche zahlen zu lassen, ist eine Dreistigkeit, die bisher ohne Beispiel ist", sagte er der "Frankfurter Rundschau".

Die Regelung, große Unternehmen von den Gebühren für die Stromnetze zu befreien, habe die Koalition im Sommer bei der Verabschiedung des Energiepakets im Rahmen des Atomausstiegs in letzter Minute eingefügt. Selbst in Fachkreisen sei dies zunächst nicht aufgefallen, berichtete die Zeitung. Nach Branchenschätzungen profitieren demnach mehrere hundert große Betriebe wie Baustoffhersteller von der Regelung.