Athen. Das Ringen um eine Lösung der Führungskrise in Griechenland geht weiter: Nach tagelangen Verhandlungen steht noch immer kein Nachfolger für den amtierenden Ministerpräsidenten Giorgos Papandreou fest. Trotz der Rücktrittsankündigung von Ministerpräsident Silvio Berlusconi taumelt das hoch verschuldete Italien derweil immer tiefer in die Krise.
In Griechenland geht die Suche nach einem Chef der Übergangsregierung weiter. Die Parteispitzen von Sozialisten und Konservativen wollten nach Angaben des Präsidialamts am Donnerstag um 9 Uhr ihre Verhandlungen fortsetzen. Im Gespräch ist nun offenbar wieder der vorübergehend bereits abgemeldete frühere Vizepräsident der Europäischen Zentralbank, Lucas Papademos, nachdem sich der bisherige Ministerpräsident Giorgos Papandreou und Oppositionschef Antonis Samaras am Mittwoch doch nicht auf den sozialistischen Parlamentspräsidenten Filippos Petsalnikos verständigt hatten. Die Übergangsregierung soll einen Bankrott des hoch verschuldeten Landes verhindern und die mit der Europäischen Union und dem Internationalen Währungsfonds verabredeten Sparmaßnahmen umsetzen sowie Neuwahlen vorbereiten.
Petsalnikos war offenbar auf Widerstand in beiden Parteien gestoßen. "Diese Kandidatur ist so nah an der Politik von Papandreou. Sie signalisiert nicht den Wandel, den das griechische Volk will", sagte ein Vertreter der Sozialisten.
Am späten Abend telefonierte Papandreou, der zuvor seinen Rücktritt bekanntgegeben hatte, daraufhin nach Angaben eines Regierungsvertreters mit Samaras. In dem Gespräch habe er erklärt, Papademos' Bedingungen für eine Übernahme des Postens inzwischen zu akzeptieren. Nun solle auch Samaras Papademos kontaktieren. Der frühere EZB-Vize verlangt einem Regierungsvertreter zufolge unter anderem, dass Sozialisten und Konservative schriftlich erklären, das mit harten Sparauflagen verbundene und deswegen in der Bevölkerung umstrittene 130 Milliarden Euro schwere Rettungspaket zu unterstützen.
"Sie kämpfen wie Hund und Katze"
Eigentlich sollte die Zusammensetzung des Kabinetts der Übergangsregierung längst feststehen. Das sich in die Länge ziehende Pokern um den Regierungschef sorgt für Unverständnis bei den Griechen und den Gläubigern des Euro-Lands. "Die Europäer haben die Nase voll von uns. Papandreou und Samaras kapieren nicht, dass sie uns kein Geld mehr geben werden und dass wir zur Drachme zurückkehren werden", sagte etwa der frühere Finanzminister Stefanos Manos. "Sie werden uns zerstören. Solche Probleme verlangen nach Entscheidungen. Aber sie können nichts entscheiden und sie kämpfen wie Hund und Katze."
Asiatische Börsen reagieren negativ auf politische Wirren in Europa
Das politische Gezerre in Griechenland und Italien vor dem Hintergrund der Schuldenkrise hat die asiatischen Börsen am Donnerstag ins Minus gezogen. Der japanische Nikkei-Index gab um 2,1 Prozent nach, der südkoreanische Kospi verlor 2,6 Prozent, und der australische S&P ASX 200 fiel um 2,7 Prozent. Der Hongkonger Hang Seng stürzte um 4,1 Prozent ab. Auch die New Yorker Börse hatte am Mittwoch angesichts der Schulden- und Regierungskrisen in Rom und Athen mit Verlusten geschlossen. Der Dow-Jones-Index der 30 führenden Industriewerte verlor 3,2 Prozent, sein größter Verlust seit dem 22. September.
Italien taumelt immer tiefer in die Krise
Trotz der Rücktrittsankündigung von Ministerpräsident Silvio Berlusconi taumelt das hoch verschuldete Italien immer tiefer in die Krise. Der bevorstehende Abgang des skandalumwitterten Regierungschefs vermochte die Finanzmärkte nicht zu beruhigen und die Ängste vor einer Eskalation der Schuldenkrise nicht einzudämmen. Die Zinsen für Staatsanleihen des EU-Mitbegründers stiegen am Mittwoch erstmals seit der Euro-Einführung auf über sieben Prozent und damit auf ein Niveau, auf dem sich die drittgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone auf Dauer nicht wird refinanzieren können. Vertreter der Euro-Zone machten am Abend klar, dass es keine Pläne für eine Finanzrettung des südeuropäischen Landes gebe. Bundeskanzlerin Angela Merkel rief zur raschen Umsetzung der Reformen auf.
In Rom bemühten sich Präsident Giorgio Napolitano und die Opposition um Klarheit über den künftigen Kurs Italiens. Die Opposition forderte, die geplante Budgetreform am Montag im Parlament zu verabschieden. Berlusconi hatte dies zur Bedingung für seinen Abgang gemacht. Der Regierungschef selbst bekräftigte seine Absicht, nach der Umsetzung der Reformen zurückzutreten und stellte Neuwahlen Anfang Februar in Aussicht, zu denen er nicht wieder antreten werde. Gegen die Neuwahlpläne machten zwei Flügel der Berlusconi-Partei PDL Front, die bisher treu zu dem Medien-Milliardär standen.
Napolitano kündigte an, er werde nach Verabschiedung der Haushaltsreform mit allen politischen Parteien Konsultationen aufnehmen. Jetzt sei rasches Handeln nötig, um das Vertrauen der Finanzmärkte in die Glaubwürdigkeit des Landes wiederherzustellen. "Dies erfordert ein sofortiges und nachhaltiges Bekenntnis zu soliden Staatsfinanzen." Falls erforderlich, könnten jederzeit Notmaßnahmen ergriffen werden.
Merkel ließ über Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin ausrichten, Italien müsse Wachstumshemmnisse beseitigen und damit das Vertrauen wiederherstellen. Die Entwicklung auf den Finanzmärkten bereite der Bundesregierung generell Sorgen. Der britische Premierminister David Cameron sagte, die Zinsen für italienische Staatsanleihen lägen längst über einem nachhaltigen Niveau. "Wenn man keine glaubwürdigen Plan hat, mit seinen Schulden umzugehen und das Defizit anzugehen, dann bekommt man kein Geld geliehen, ob man die Märkte nun mag oder nicht", sagte er im Parlament in London. Das sehe man in Griechenland "und nun tragischerweise auch in Italien."
Das Bundesfinanzministerium wies einen Bericht zurück, wonach Berlusconi beim G20-Gipfel Unterstützung durch den Euro-Rettungsschirm EFSF angeboten wurde. Zuvor hatte Reuters am Mittwoch unter Berufung auf mehrere Teilnehmer einer Sitzung des Bundestags-Haushaltsausschusses berichtet, Schäuble habe dort gesagt, Berlusconi sei in Cannes EFSF-Hilfe angeboten worden, was dieser abgelehnt habe.
"Führungswechsel alleine keine Garantie"
Analysten zufolge befindet sich Italien mittlerweile genau in der Lage, in der Griechenland, Portugal und Irland waren, bevor sie unter den Euro-Rettungsschirm schlüpften. Der Hilfsfonds EFSF ist aber nach wie vor aber viel zu klein, um Italien mit seiner Gesamtschuldenlast von 1,9 Billionen Euro stützen zu können. Das Hebelmodell, mit dem der EFSF nach einem Beschluss der Euro-Staats- und Regierungschefs bis auf eine Billionen Euro erweitert werden soll, ist noch nicht funktionstüchtig. Außerdem bestehen nach den jüngsten Turbulenzen in Griechenland kaum Aussichten, dass sich private Investoren oder Staatsfonds etwa aus China und Russland daran in großem Stil beteiligen.
Rücktritt Berlusconis ein taktisches Manöver?
In italienischen Medien wurde indes bereits spekuliert, der verzögerte Rücktritt Berlusconis könnte ein taktisches Manöver sein. Mehrere linksgerichtete Zeitungen kommentierten, möglicherweise spiele der Regierungschef auf Zeit und wolle eigentlich nicht zurücktreten. Dagegen bekräftigte Berlusconi, dass er es ernst meine.
Eine von der Opposition geforderte Übergangsregierung schloss Berlusconi aus. Neuwahlen seien die einzige Alternative. Der Chef der Demokratischen Partei, Pier Luigi Bersani, bekräftigte dagegen den Vorschlag, eine Interimsregierung aus allen Lagern zu bilden.
In Rom trafen Inspektoren der Europäischen Union ein. Sie sollen sicherstellen, dass die von Italien beim G20-Treffen vergangene Woche in Cannes zugesagten Wirtschaftsreformen auch umgesetzt werden. In Cannes hatte sich Berlusconi dazu bereiterklärt, den Reformkurs des Landes unter die Aufsicht des Internationalen Währungsfonds zu stellen, der am Euro-Rettungsschirm beteiligt ist. (rtr/dapd)