Essen. Bei der Auswahl neuer Rekruten für den freiwilligen Wehrdienst achtet die Bundeswehr nicht auf die schulische Bildung der Kandidaten. Das jedenfalls verspricht sie in einer Facebook-Kampagne. Experten und Oppositionspolitiker sind entsetzt und fürchten eine „Unterschichten-Armee“.
Die Bundeswehr setzt bei der Nachwuchswerbung auf unqualifizierte Kräfte. Auf der Karriere-Seite der Bundeswehr im sozialen Netzwerk Facebook wirbt die Armee für den neuen freiwilligen Wehrdienst. Das Versprechen: Die schulische Bildung der Bewerber spielt keine Rolle. „Bei uns erhalten Sie ihre Chance – auch unabhängig von ihrer schulischen Qualifikation“, heißt es im Wortlaut auf der Seite, die über 20.000 Fans hat.
Bundeswehrexperten und Oppositionspolitiker kritisieren die Kampagne. Die Bundeswehr drohe ohnehin schon zu einer „Unterschichtenarmee“ zu werden, sagt Michael Wolffsohn, Professor für Neuere Geschichte an der Bundeswehr-Universität München, gegenüber DerWesten. Deshalb sei es “eine Katastrophe“, wenn die Truppe nun gezielt unqualifizierte Bewerber anspreche. „Die Bundeswehr setzt damit ein klares Signal: Analphabeten der Republik, kommt zu uns.“
Der verteidigungspolitische Sprecher der Grünen, Omrid Nouripour, warnt im Nachrichtenmagazin „Focus“ vor einem „Unterschichtenmilitär, das auch die Falschen anziehen könnte.“ Die Bundeswehr müsse einen Querschnitt der Gesellschaft abbilden.
Verteidigungsministerium: „Kampagne soll alle ansprechen“
Im Verteidigungsministerium versteht man die Aufregung um die Kampagne nicht. „Die Bundeswehr bietet Karrierelaufbahnen für alle Bildungsabschlüsse. Deshalb soll diese Kampagne auch alle ansprechen“, sagt der für den Freiwilligendienst zuständige Sprecher, Kai-Friedrich Schlolaut. Angst, dass die Kampagne Bewerber mit einem höheren Abschluss abschrecke, habe man nicht. Arbeitgeber profilieren, um im Wettbewerb um fähige Nachwuchskräfte mitzuhalten. Der neu geschaffene freiwillige Wehrdienst soll anstelle der bisherigen Wehrpflicht als „Schnupperphase“ für zukünftige Berufssoldaten dienen.
Viele Freiwillige verlassen die Truppe vorzeitig
Zum Start des Freiwilligendienstes waren im Juli 3459 Freiwillige in die Kasernen eingerückt, im Oktober folgten 4542 weitere. Hunderte von ihnen haben den Dienst allerdings bereits nach wenigen Wochen wieder abgebrochen. In einigen Fällen mussten die Kandidaten auch gehen, weil sie die Anforderungen der Bundeswehr nicht erfüllten. Eine ausführliche Bilanzwill das Verteidigungsministerium Ende Dezember vorstellen, wenn die Probezeit für den Freiwilligendienst endet.
Verteidigungsminister Thomas de Maizière hofft jedenfalls, in den kommenden Jahren 5000 bis 15000 Freiwillige verpflichten zu können. Dabei sollen Werbekampagnen in sozialen Netzwerken helfen.