Berlin. . Am Montag hat der erste Jahrgang der neuen Freiwilligen-Armee seinen Dienst angetreten. Rekruten aus Nordrhein-Westfalen erzählen, warum sie zur Bundeswehr gehen, obwohl sie es nicht mehr müssen.
Mit Rucksäcken, schweren Taschen und Koffern bepackt laufen die jungen Männer durch den strömenden Regen auf das graue Gebäude zu. Es ist eine gute Vorbereitung für die nächsten Monate, in denen sie bei Wind und Wetter an ihre Grenzen gehen werden – und zwar freiwillig. Aus ganz Deutschland kommen die jungen Rekruten. Sie zählen zu den ersten 158 Soldaten, die gestern ihren Wehrdienst in der Berliner Julius-Leber-Kaserne angetreten haben. Obwohl dieser seit dem 1. Juli nicht mehr verpflichtend ist.
Alexander Jendrosch ist einer der Freiwilligen, den Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) begrüßt hat. Der 18-jährige Abiturient aus Dinslaken hat sich für zwölf Monate verpflichtet. Mit rund 60 weiteren Freiwilligen aus NRW wird er seinen Wehrdienst nach der Einführung in Berlin in Siegburg beginnen. Wie viele seiner Kameraden sucht Jendrosch das Abenteuer – und noch etwas mehr: „Bei der Bundeswehr lernt man Kameradschaft, Ordnung und Disziplin“, glaubt er. „Das ist auch im Berufsleben gefragt und erhöht später bestimmt meine Job-Chancen.“ Denn: Für immer bei der Bundeswehr bleiben will er nicht. Für ihn ist der Wehrdienst auch eine attraktive Möglichkeit, über die Studienwahl nachzudenken. Und um Geld zu verdienen. Rund 1400 Euro zahlt die Bundeswehr den freiwilligen Einsteigern – damit verdienen sie mehr als die meisten Auszubildenden.
Die Mutter ist nicht begeistert, der Vater schon
Marlin Müller aus Voerde zieht mehr als Abenteuerlust und bessere Berufsaussichten zur Bundeswehr. „Ich möchte mein Land verteidigen, wenn in Deutschland etwas passiert.“ Für 23 Monate hat er sich verpflichtet. Danach möchte der 17-Jährige Berufssoldat werden. Angst vor Auslandseinsätzen hat er nicht. Seine Mutter umso mehr. Sie will den Sohn nicht in Afghanistan sehen. „Aber mein Vater ist begeistert“, sagt Müller.
Ernst Schüßling, Personaloffizier beim Wachbataillon, ist überzeugt: „Viele der Freiwilligen sind Männer, die in ihrem Elternhaus vermittelt bekommen haben, dass es wichtig ist, etwas für ihr Vaterland zu tun.“
Auch das ist neu: Es gibt eine Probezeit
Doch mit knapp 160 Freiwilligen hat Schüßling nicht gerechnet. „Wir sind von etwa 70 Rekruten ausgegangen und sind positiv überrascht“, sagt er. Das bedeute aber nicht, dass auch alle Freiwilligen blieben, die sich jetzt zum Dienst melden: „Einige haben sich vermutlich parallel bei der Polizei oder für einen Studienplatz beworben. Mit dieser Konkurrenz müssen wir jetzt leben“, sagt Schüßling. Denn – auch das ist neu – die freiwilligen Soldaten können ihren Wehrdienst in der sechsmonatigen Probezeit jederzeit beenden.
Was die jungen Rekruten in den ersten Monaten ihrer Grundausbildung erwartet? „Drill“, sagt Offizier Schüßling. „Sie müssen sich auf 40 Tage der härtesten Ausbildung gefasst machen, die die Bundeswehr zu bieten hat.“ Doch nach der Pflicht kommt die Kür: „Wenn sie das erfolgreich hinter sich gebracht haben, dürfen sie vor Herrn Wulff und Frau Merkel stehen. Und sind stolz darauf.“